Die verborgene Wirklichkeit
einer bestimmten Raumregion befinden. Der Einfachheit halber stellen wir uns vor, dass wir diese Region zur Kennzeichnung mit einer imaginären Kugel umgeben wie in Abbildung 9.3(a). Nehmen wir weiter an, dass die Gesamtmasse der Objekte im Vergleich zu dem Volumen, das sie ausfüllen, in einer normalen Allerwelts-Größenordnung liegt und nicht annähernd so groß ist, dass ein Schwarzes Loch entstehen könnte. Das ist die Vorgabe. Nun folgt die entscheidende Frage: Welche maximale Informationsmenge kann innerhalb einer solchen Raumregion gespeichert werden?
Die Antwort liefert das merkwürdige Gespann aus Zweitem Hauptsatz und Schwarzen Löchern. Stellen wir uns vor, wir würden zu der Region immer mehr Materie hinzufügen, um damit ihre Speicherkapazität für Information zu vergrößern. In die Google-Computer bauen wir Hochleistungs-Speicherchips oder große Festplattenlaufwerke ein; die Bestände der Kongressbibliothek stocken wir durch Bücher oder vollgepackte E-Book-Lesegeräte auf. Da selbst Materie als solche Information trägt – sind die Dampfmoleküle hier oder dort? Bewegen sie sich mit dieser oder jener Geschwindigkeit? –, können wir außerdem jede Ecke und jeden Winkel der Region mit so viel Materie vollstopfen, wie wir in die Hände bekommen. Irgendwann erreichen wir dabei einen kritischen Punkt: Die Region ist so gründlich vollgestopft, dass man nur noch ein weiteres Sandkorn hinzufügen müsste, und ihr Inneres würde dunkel werden – die Region würde sich in ein Schwarzes Loch verwandeln. Wenn das geschieht, ist das Ende der Fahnenstange erreicht: Die Größe eines Schwarzen Lochs wird von seiner Masse bestimmt; wenn wir also die Speicherkapazität für Information mit noch mehr Materie vergrößern wollen, reagiert das Schwarze Loch darauf mit Größenwachstum. Die Speicherkapazität eines Schwarzen Lochs kann man nicht
vergrößern, ohne dass sich auch das Schwarze Loch selbst vergrößert. 12 Und dieses Größenwachstum ist nicht mit dem vereinbar, was wir vorausgesetzt hatten: Wir hatten uns auf die Informationen konzentrieren wollen, die in einem festgesetzten, begrenzten Raumvolumen enthalten sein können.
Abbildung 9.3 (a) Verschiedene Objekte, die Information speichern können und sich in einer deutlich gekennzeichneten Raumregion befinden. (b) Wir vergrößern die Speicherkapazität der Region für Information. (c) Wenn die Materiemenge eine bestimmte Schwelle überschreitet (deren Größe man mithilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie berechnen kann), 11 wird die Region zu einem Schwarzen Loch.
Die Ziellinie überqueren wir nun mit zwei weiteren Beobachtungen. Der Zweite Hauptsatz sorgt dafür, dass die Entropie während des gesamten Prozesses zunimmt, das heißt, die auf den Festplattenlaufwerken, auf den E-Book-Lesegeräten und in den altmodischen Papierbüchern gespeicherten Informationen sowie alles andere, was wir in die Region hineingepackt haben, summieren sich zu weniger Information auf, als letztlich in dem Schwarzen Loch verborgen ist. Wie wir aus den Befunden von Bekenstein und Hawking wissen, wird der Umfang der im Schwarzen Loch verborgenen Information durch den Flächeninhalt seines Ereignishorizonts bestimmt. Und da wir sorgfältig darauf geachtet haben, dass die ursprüngliche Raumregion nicht überläuft, stimmt der Ereignishorizont des Schwarzen Lochs mit der Grenze dieser Region überein, das heißt, die Entropie des Schwarzen Lochs ist ebenso groß wie der Flächeninhalt der die Region umgebenden Oberfläche. Daraus lernen wir etwas Wichtiges. Der Informationsgehalt einer gegebenen Raumregion, der in beliebigen Objekten beliebiger Konstruktion gespeichert sein kann, ist stets kleiner als der Flächeninhalt der Oberfläche, welche die Region umgibt (gemessen in Quadrat-Planck-Längen) .
Das ist die Erkenntnis, hinter der wir her waren. Was es dabei zu beachten gilt: Auch wenn im Mittelpunkt unserer Überlegungen Schwarze Löcher standen, gilt die Analyse für jede beliebige Raumregion, ganz gleich, ob sich dort ein
Schwarzes Loch befindet oder nicht. Wenn man die Speicherkapazität einer Region bis zum Maximum ausreizt, schafft man damit ein Schwarzes Loch, aber solange man unter der Grenze bleibt, bildet es sich nicht.
Ich beeile mich jedoch hinzuzufügen, dass diese Grenze für die Speicherkapazität keinerlei praktische Bedeutung hat. Im Vergleich zu den heutigen rudimentären Speichergeräten ist die potenzielle Speicherkapazität auf der
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