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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Möglichkeit, dies zu überprüfen und damit womöglich zu beweisen, dass die beiden Theorien insgeheim identisch sind, besteht darin, für jede Theorie unabhängige Berechnungen durchzuführen und anschließend zu kontrollieren, ob sie übereinstimmen. Das ist allerdings schwierig, denn wenn störungstheoretische Verfahren in der einen Theorie funktionieren, versagen sie in der anderen. 16
    Wenn man aber Maldacenas eher abstrakte, im vorangegangenen Abschnitt skizzierte Argumentation akzeptiert, wird aus dem störungstheoretischen Fluch bei bestimmten Berechnungen eine Tugend. Ganz ähnlich, wie wir es bei den String-Dualitäten in Kapitel 5 gesehen haben, übersetzt das Innenraum-Randtheorie-Wörterbuch Furcht einflößende Berechnungen aus der einen Theorie, die durch eine große Kopplungskonstante belastet sind, in ein System einfacher
Berechnungen mit kleiner Kopplungskonstante in der anderen. In den letzten Jahren hat man auf diese Weise neue Erkenntnisse gewonnen, die sich möglicherweise experimentell überprüfen lassen.
    In dem Beschleunigerring für relativistische Schwerionen RHIC ( Relativistic Heavy Ion Collider ) in Brookhaven im US-Bundesstaat New York werden Gold-Atomkerne mit nahezu Lichtgeschwindigkeit aufeinandergeschossen. Da die Atomkerne viele Protonen und Neutronen enthalten, entsteht durch die Kollisionen ein Gemisch wild durcheinanderfliegender Teilchen mit einer Temperatur von mehr als dem 200 000-Fachen der Temperatur im Innern der Sonne. Unter solchen Bedingungen schmelzen die Protonen und Neutronen zu einer Art Flüssigkeit, die aus Quarks besteht sowie aus den Gluonen, über welche die Quarks miteinander wechselwirken. Physiker haben große Anstrengungen darauf verwendet, diese flüssigkeitsähnliche Phase, die Quark-Gluon-Plasma genannt wird, zu erforschen. Höchstwahrscheinlich lag die Materie kurz nach dem Urknall für kurze Zeit in genau dieser Form vor.
    Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Quantenfeldtheorie, mit der man diese heiße Suppe aus Quarks und Gluonen beschreiben kann (die Quantenchromodynamik ), eine große Kopplungskonstante hat, was die Genauigkeit der störungstheoretischen Methoden beeinträchtigt. Man hat fantasievolle Verfahren entwickelt, um diese Hürde aus dem Weg zu räumen, aber nach wie vor widersprechen die experimentellen Befunde manchen theoretischen Ergebnissen. Ein Beispiel: Wenn eine beliebige Flüssigkeit – Wasser, Melasse oder eben das Quark-Gluon-Plasma – fließt, übt jede Flüssigkeitsschicht eine Zugkraft auf die über und unter ihr fließenden Schichten aus. Diese Zugkraft wird als Viskosität bezeichnet. Als man am RHIC mit Experimenten die Viskosität des Quark-Gluon-Plasmas ermittelte, gelangte man zu viel kleineren Werten, als es die quantenfeldtheoretischen Störungsrechnungen vorhergesagt hatten.
    Wie könnte es weitergehen? Bei meiner Schilderung des holographischen Prinzips habe ich mir vorgestellt, dass alles, was wir erleben, sich im Innenraum der Raumzeit befindet, allerdings mit der unerwarteten Wendung, dass es sich dabei um Prozesse handelt, die lediglich etwas widerspiegeln, das sich auf einer weit entfernten Randfläche abspielt. Kehren wir diese Perspektive nun einmal um. Stellen wir uns vor, dass unser Universum – oder, genauer gesagt, die Quarks und Gluonen unseres Universums – am Rand lebt und dass demnach die RHIC-Experimente dort stattfinden. Nun nehmen wir Maldacenas Befunde zu Hilfe. Danach gibt es für die (mit der Quantenfeldtheorie beschriebenen) RHIC-Experimente eine mathematische Alternativbeschreibung in Form von Strings, die sich im Innenraum bewegen. Die Details sind zwar wichtig, aber wie
leistungsfähig diese Neuformulierung ist, zeigt sich in dieser Situation sofort: Schwierige Berechnungen zur Beschreibung der Randflächentheorie, wo die Kopplungskonstante groß ist, werden in der Beschreibung der Physik im Innenraum mit ihrer kleinen Kopplungskonstante in deutlich einfachere Berechnungen übersetzt. 17
    Entsprechende Berechnungen stellten Pavel Kovtun, Andrei Starinets und Dam Son an. Ihre Ergebnisse kommen den experimentellen Befunden beeindruckend nahe. Diese Pionierarbeiten regten ganze Heerscharen von Theoretikern zu vielen weiteren Berechnungen an, um noch mehr Verbindungen zwischen der Stringtheorie und den Beobachtungen im RHIC zu finden – ein lebhaftes Wechselspiel zwischen Theorie und Experiment, das für die Stringtheoretiker eine willkommene neue Erfahrung darstellt.
    Dabei

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