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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Klumpen aus Raum, angefüllt von einem starken Inflatonfeld, das die inflationäre Expansion erst einmal in Gang bringt. Dies kann man auch in Zahlen ausdrücken: Die Gleichungen zeigen, dass der Klumpen nur einen Durchmesser von 10 – 26 Zentimeter haben muss, und wenn man die Energie des darin enthaltenen Inflatonfelds als Masse ausdrückt, wären es weniger als zehn Gramm. 3 Ein derart winziger Keim würde schneller als ein Blitz eine spektakuläre Expansion durchmachen: Dabei würde er weit über die Größe des beobachtbaren Universums hinaus anwachsen und gleichzeitig immer mehr Energie enthalten. Die Gesamtenergie des Inflatons würde schnell über das hinausschießen, was zur Erzeugung aller Sterne in allen Galaxien, die wir beobachten, notwendig wäre. Wenn wir also der Inflation das kosmologische Steuer überlassen, verwandelt sich der unmögliche Ausgangspunkt des Urknall-Rezepts – sammeln Sie mehr als 10 55 Gramm und verdichten Sie sie zu einem ungeheuer kleinen Brocken – in etwas radikal anderes: Sammeln Sie zehn Gramm Inflatonfeld und quetschen Sie sie in einen Klumpen mit einem Durchmesser von ungefähr 10 – 26 Zentimetern. Ein solches Bröckchen könnte man leicht in die Brieftasche stecken.
    Dennoch wirft auch dieser Ansatz ernsthafte Probleme auf. Zum einen ist das Inflaton bisher ein rein hypothetisches Feld. Kosmologen bauen es zwar großzügig in ihre Gleichungen ein, aber anders als bei Elektronen- und Quark-Feldern gibt es kein Indiz dafür, dass das Inflatonfeld tatsächlich existiert. Und selbst wenn das Inflaton sich als real erweisen und wenn wir eines Tages die Mittel entwickeln sollten, um mit ihm ebenso leicht umzugehen wie mit dem elektromagnetischen Feld, hat der erforderliche Inflaton-Keim immer noch eine ungeheure Dichte : rund 10 67 Mal größer als die Dichte eines Atomkerns. So ein Keim würde zwar weniger wiegen als eine Handvoll Popcorn; die Kompressionskraft jedoch, die wir anwenden müssten, ist Billionen und Aberbillionen Mal größer als alles, was uns heute zu Gebote steht.
    Dabei handelt es sich allerdings um genau jene Art technischer Hürden, die eine beliebig weit fortgeschrittene Zivilisation eines Tages womöglich überwinden kann. Nehmen wir also an, unsere entfernten Nachkommen würden sich das Inflatonfeld irgendwann nutzbar machen und könnten durch Entwicklung außerordentlich starker Kompressoren solche dichten Klumpen erzeugen: Haben wir dann die Stellung von Universumsschöpfern erlangt? Und wenn wir uns Gedanken über einen solchen Schritt in Richtung des Olymp machen: Müssen wir uns dann sorgen, dass der von uns bewohnte Winkel des Universums von dem sich aufblähenden Raum verschlungen werden könnte, wenn wir künstlich
neue inflationäre Prozesse in Gang setzen? Solche Fragen untersuchten Alan Guth und eine Reihe von Mitarbeitern in mehreren Fachartikeln und fanden dabei sowohl eine gute als auch eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht zuerst: Wie Guth zusammen mit Steven Blau und Eduardo Guendelman zeigen konnte, müssen wir nicht befürchten, dass eine künstliche Phase der inflationären Expansion unseren gewohnten Lebensraum auseinanderreißen würde. Die Begründung ergibt sich aus einer Betrachtung des Drucks: Ein Inflationskeim, der im Labor geschaffen wird, enthält die charakteristische positive Energie und den negativen Druck des Inflatonfelds, wäre aber von gewöhnlichem Raum umgeben, in dem der Wert des Inflatonfelds ebenso wie auch sein Druck null (oder nahezu null) wären.
    Gewöhnlich schreiben wir der Null keine große Wirkung zu, aber in diesem Fall ist sie das Entscheidende. Ein Druck von null ist größer als negativer Druck, und das heißt, außerhalb des Keims würde ein größerer Druck herrschen als in seinem Inneren. Das würde den Keim einer äußeren Kraft aussetzen, die auf ihn ganz ähnlich einwirkt wie Druck auf unsere Trommelfelle beim Tauchen. Der Druckunterschied ist so stark, dass er eine Expansion des Keims in seine Umgebung hinein verhindert.
    Der Expansionsdrang des Inflatons ist damit allerdings nicht beseitigt. Wenn wir Luft in einen Ballon blasen, dessen Oberfläche wir gleichzeitig umklammern, bildet der Ballon zwischen unseren Fingern kleine Blasen. Ähnlich kann sich auch der Keim des Inflatons verhalten. Er kann einen neuen, expandierenden Raumbereich schaffen, der aus der ursprünglichen räumlichen Umwelt herausquillt wie die kleine, immer größer werdende Kugel in Abbildung 10.1 . Wenn ein

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