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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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dauerhaft schließen. Aber angenommen, das geschieht nicht oder zukünftige Arbeiten sprechen sogar stärker für die Möglichkeit, Universen zu schaffen: Besteht dann eine Motivation, weiterzumachen? Warum soll man ein Universum erschaffen, wenn es keinen Weg gibt, es zu beobachten, mit ihm in Beziehung zu treten oder auch nur sicher festzustellen, ob es tatsächlich erschaffen wurde? Nach Ansicht von Andrei Linde, der nicht nur für seine weitreichenden kosmologischen Erkenntnisse bekannt ist, sondern auch für einen gewissen Hang zur Dramatik, würde sich der Reiz, Gott zu spielen, als unwiderstehlich erweisen.
    Ich weiß es nicht. Zugegeben: Es wäre spannend, wenn wir die Naturgesetze so weitgehend begriffen hätten, dass wir das folgenschwerste Ereignis von allen noch einmal inszenieren könnten. Ich habe allerdings den Verdacht, dass unsere wissenschaftlichen und technischen Fortschritte dann, wenn wir ernsthaft über die Schaffung eines Universums nachdenken könnten – sofern diese Zeit überhaupt irgendwann kommt –, so viele andere spektakuläre Unternehmungen ermöglichen werden, deren Ergebnisse wir uns nicht nur ausmalen, sondern
wirklich erleben könnten, dass die schwer greifbare Schaffung eines Universums an Faszination einbüßen würde.
    Stärker wäre der Reiz sicher, wenn wir in Erfahrung bringen könnten, wie man Universen herstellt, die wir sehen oder mit denen wir sogar in Wechselbeziehung treten können. Doch für die Erzeugung solcher, und zwar »richtiger« Universen in dem üblichen Sinn, dass ein Universum aus den Standardzutaten wie Raum, Zeit, Materie und Energie besteht, haben wir nicht einmal eine Strategie, die sich mit den Gesetzen der Physik, wie wir sie derzeit verstehen, vertragen würde.
    Aber wie wäre es, wenn wir reale Universen einmal beiseiteließen und stattdessen virtuelle betrachteten?
    Der Stoff, aus dem die Gedanken sind
    Vor ein paar Jahren hatte ich einmal eine schwere, fiebrige Grippe, und die Halluzinationen, die ich dabei erlebte, waren viel eindringlicher als jeder normale Traum oder Albtraum. Eine davon habe ich nie mehr vergessen: Ich saß mit einer Gruppe anderer Menschen in einem spärlich eingerichteten Hotelzimmer und war in einer Halluzination in der Halluzination gefangen. Ich war absolut sicher, dass Tage und Wochen verstrichen – bis ich schließlich in die primäre Halluzination zurückgeworfen wurde, wo ich zu meinem Schrecken erfuhr, dass im Gegenteil kaum Zeit vergangen war. Jedes Mal, wenn ich fühlte, dass ich wieder in das Hotelzimmer zurücktrieb, widersetzte ich mich angestrengt, wusste ich doch von vorherigen Wiederholungen, dass es mich dort im Ganzen verschlucken würde; ich würde die Irrealität meiner Erlebnisse nicht erkennen können, bis ich wieder in die primäre Halluzination zurückkehrte, wo ich zu meiner Bestürzung wiederum erfuhr, dass alles, was ich für real gehalten hatte, eine Illusion war. Hin und wieder, wenn das Fieber nachließ, verließ ich auch diese Ebene und fand zurück ins normale Leben; dann erkannte ich, dass all diese Ortswechsel ausschließlich in meinem eigenen, verwirrten Geist stattgefunden hatten.
    In der Regel lerne ich aus einer Fiebererkrankung nicht viel. Dieses Mal brachte mein Erlebnis mich aber in unmittelbaren Kontakt mit etwas, das ich zuvor in abstrakter Form schon im Wesentlichen verstanden hatte. Unser Zugriff auf die Wirklichkeit ist viel weniger stabil und direkt, als unser Alltagsleben uns oftmals glauben macht. Man braucht die normale Gehirnfunktion nur geringfügig abzuwandeln, und schon verschiebt sich plötzlich das Fundament der Wirklichkeit; die Außenwelt mag dabei zwar stabil bleiben, unsere Wahrnehmung tut es
aber nicht. Dies wirft eine klassische philosophische Frage auf. All unsere Erfahrungen werden durch unser jeweiliges Gehirn gefiltert und analysiert – wie sicher können wir also sein, dass unsere Erfahrungen tatsächlich die Wirklichkeit widerspiegeln? Oder, wie Philosophen es meist formulieren: Woher wissen Sie, dass Sie gerade tatsächlich diesen Satz lesen und nicht in einem Gefäß auf einem entfernten Planeten schwimmen, wo außerirdische Wissenschaftler Ihr Gehirn so stimulieren, dass es die Gedanken und Erlebnisse hat, die Sie für real halten?
    Solche Fragen sind ein zentrales Thema der Erkenntnistheorie, eines Untergebiets der Philosophie, das danach fragt, was eigentlich Wissen ausmacht, wie wir es erwerben und wie sicher wir sein können, dass wir es

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