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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Inflationsmodellen Platz gemacht, und die kosmische Inflation bietet eine Strategie, um weiter voranzukommen. Da eine gewaltige Expansionsphase des Raumes ihr charakteristisches Kennzeichen ist, verleihen die Inflationsmodelle dem Urknall eine besondere Wendung, und zwar eine schwungvolle: Im Rahmen dieser Modelle wurde die Expansion des Raumes durch eine kurze Phase in Gang gesetzt, in der die abstoßende Gravitation dominierte. Und was, wie wir jetzt erfahren werden, ebenso wichtig ist: Die Inflationsmodelle zeigen auch, dass riesige Materiemengen aus bescheidenen Anfängen heraus erschaffen werden können.
    Erinnern wir uns noch einmal an Kapitel 3: Den Inflationsmodellen zufolge bildete sich ein Universum wie das unsere – ein Loch im kosmischen Schweizer Käse –, als der Wert des Inflatons auf der Potenzialkurve abwärtsrollte und damit die ungeheuer rasche Expansion in unserer Nachbarschaft zum Stillstand brachte. Als der Wert des Inflatons sank, verwandelte sich die in ihm enthaltene Energie in ein Teilchenbad, das unsere Blase gleichmäßig ausfüllte. Das war der Ursprung der Materie, die wir heute um uns herum sehen. Damit sind wir sicher einen Schritt weiter, dennoch wirft die Erkenntnis sofort die nächste Frage auf: Woher kommt die Energie des Inflatons?
    Die Antwort: Sie stammt von der Gravitation. Wie bereits erwähnt wurde, ähnelt die inflationäre Expansion in vielerlei Hinsicht der Vermehrung von Viren: Ein starkes Inflatonfeld treibt die Raumregion, die es erfüllt, zu schneller Expansion an und schafft damit ein immer größeres Raumvolumen, das von
eben diesem starken Inflatonfeld durchdrungen ist. Da ein konstantes Inflatonfeld eine konstante Energiemenge je Volumeneinheit enthält, verkörpert es umso mehr Energie, je größer das Volumen ist, das es ausfüllt. Die Triebkraft hinter der Expansion ist die abstoßende Variante der Gravitation, und damit ist die Gravitation auch die Quelle der immer größeren in der Region enthaltenen Energie.
    Die kosmische Inflation kann man sich demnach so vorstellen, als erzeugte sie einen ständigen Energiestrom vom Gravitationsfeld zum Inflatonfeld. Dies mag so wirken, als würde man den schwarzen Energiepeter nur wieder einmal weitergeben – woher kommt denn dann die Gravitationsenergie? Tatsächlich sieht die Situation aber ein ganzes Stück besser aus. Die Gravitation unterscheidet sich von den anderen Kräften, denn wo Gravitation ist, da ist ein praktisch unbegrenzter Energievorrat. Das ist eine altbekannte Idee, ausgedrückt in einer ungewohnten Sprache. Wenn wir von einer Klippe springen, wird die kinetische Energie – die Energie unserer Bewegung – immer größer. Ihre Quelle ist die Gravitation, die Triebkraft unserer Fallbewegung. In jedem realistischen Szenario werden wir binnen kurzer Zeit auf den Erdboden aufschlagen, aber im Prinzip könnte man beliebig weit stürzen, in ein immer längeres Loch fallen, und die kinetische Energie würde entsprechend immer größer. Dass Gravitation solche unbegrenzten Energiemengen liefern kann, liegt daran, dass sie ganz ähnlich wie das US-Finanzministerium keine Angst vor Schulden hat. Wenn man stürzt und die positive Bewegungsenergie dabei immer weiter wächst, schafft die Gravitation einen Ausgleich, weil die mit ihr assoziierte Energie immer negativer wird. Dass die Gravitationsenergie negativ ist, wissen wir intuitiv: Um aus dem tiefen Loch zu klettern, müssen wir positive Energie aufwenden und beispielsweise mit den Beinen schieben oder mit den Armen ziehen; so zahlen wir die Energieschulden zurück, welche die Gravitation in unserem Namen aufgenommen hat. 2
    Daraus ergibt sich eine entscheidende Schlussfolgerung: Wenn die mit einem Inflatonfeld angefüllte Region schnell wächst, bezieht das Inflaton seine Energie aus den unerschöpflichen Ressourcen des Gravitationsfeldes, und das führt dazu, dass der Energiegehalt der Region schnell ansteigt. Und da das Inflatonfeld die Energie liefert, die anschließend in gewöhnliche Materie umgewandelt wird, müssen die Inflationsmodelle im Gegensatz zum herkömmlichen Urknallmodell nicht postulieren, dass die Rohstoffe zur Erzeugung von Planeten, Sternen und Galaxien bereits vorhanden sind. Die Materie lässt sich gleichsam von der Gravitation aushalten.
    Die kosmische Inflation braucht nur einen einzigen unabhängigen Energieetat,
nämlich den, der zur Schaffung des anfänglichen »Keims« für die Inflation erforderlich ist: einen kleinen

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