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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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besitzen. Auf populärer Ebene wurden solche philosophischen Fragen einem breiten Publikum durch Filme wie Matrix , The 13 th Floor und Vanilla Sky bekannt, die damit auf unterhaltsame, anregende Weise spielten. ah Locker formuliert, können wir die Frage also so stellen: Woher wissen wir, dass wir nicht an die Matrix angeschlossen sind?
    Unter dem Strich lautet die Antwort: Wir können es nicht mit Sicherheit wissen. Wir treten mit der Welt durch unsere Sinnesorgane in Verbindung, und die regen unser Gehirn zu den Interpretationen an, zu denen unsere Nervenschaltkreise aufgrund ihrer Evolution in der Lage sind. Wenn jemand unser Gehirn künstlich so stimuliert, dass genau die gleichen elektrischen Ströme ausgelöst werden wie beim Essen einer Pizza, beim Lesen dieses Satzes oder beim Fallschirmspringen, wird das Erlebnis von dem echten nicht zu unterscheiden sein. Erfahrung wird durch Gehirnprozesse bestimmt, nicht durch das, was diese Prozesse in Gang setzt.
    Gehen wir noch einen Schritt weiter: Man kann sich auch vorstellen, völlig ohne so etwas Unappetitliches wie biologisches Material auszukommen. Sind vielleicht all unsere Gedanken und Erfahrungen nichts anderes als eine Simulation, die sich einer so ausgefeilten Soft- und Hardware bedient, dass normale Gehirnfunktionen vollständig nachgeahmt werden? Sind wir überzeugt von einer Realität aus Fleisch, Blut und physikalischer Welt, obwohl unsere Erfahrungen in Wirklichkeit nur aus einer Fülle elektrischer Impulse bestehen, die durch einen ungeheuer hochentwickelten Supercomputer rasen?
    Die Betrachtung solcher Szenarien ist mit einer unmittelbaren Herausforderung verknüpft: Sie stoßen leicht eine Spirale des skeptischen Niedergangs an.
Wir steigern uns hinein und haben in nichts mehr Vertrauen, nicht einmal in unsere Fähigkeit zum vernünftigen Denken. Meine erste Reaktion auf Fragen wie die zuvor gestellten besteht darin, dass ich ausrechne, wie viel Computerleistung man brauchen würde, um auch nur ansatzweise ein menschliches Gehirn zu simulieren. Aber wenn ich tatsächlich Teil einer solchen Simulation bin, warum sollte ich dann irgendetwas glauben, was ich in Lehrbüchern der Neurobiologie lese? Auch die Bücher wären Simulationen, geschrieben von simulierten Biologen, deren Befunde von der Software diktiert werden, welche die Simulation ausführt; für die Funktionsweise eines »realen« Gehirns könnten sie also durchaus bedeutungslos sein. Vielleicht ist schon der Begriff eines »realen« Gehirns selbst ein vom Computer geschaffenes Kunstprodukt. Wenn man dem eigenen Wissensschatz nicht mehr trauen kann, löst sich die Wirklichkeit schnell in Luft auf.
    Wir werden auf solche Bedenken zurückkommen, doch ich möchte nicht, dass sie uns den Boden unter den Füßen wegziehen – jedenfalls noch nicht. Werfen wir also vorerst einmal einen Anker. Stellen wir uns vor, dass wir aus echtem Fleisch und Blut bestehen und dass alles, was wir für real im alltäglichen Sinn des Wortes halten, auch real ist . Gehen wir nun von alledem aus und kommen wir zu der Frage nach Computern und Gehirnleistung zurück. Wie hoch ist ungefähr die Verarbeitungsgeschwindigkeit eines menschlichen Gehirns, und wie steht es im Vergleich zur Leistung von Computern da?
    Selbst wenn wir nicht im Morast der Skepsis stecken bleiben, ist das eine schwierige Frage. Die Gehirnfunktion ist zu großen Teilen unbekanntes Terrain. Aber um uns eine Ahnung von diesem Terrain zu verschaffen, so vernebelt es auch sein mag, können wir einige Zahlen betrachten. Eine der am besten untersuchten Anordnungen von Neuronen ist die Netzhaut des Menschen, eine dünne Schicht aus rund 100 Millionen Nervenzellen, die insgesamt kleiner ist als eine kleine Münze und ungefähr so dick wie ein paar Blatt Papier. Damit ein Computer-Netzhautsystem mit der menschlichen Netzhaut gleichziehen könnte, müsste es nach einer Schätzung des Informatikers Hans Moravec in jeder Sekunde rund eine Milliarde Rechenoperationen vollziehen. Um das Volumen der Netzhaut auf das des gesamten Gehirns hochzurechnen, bedarf es eines Faktors von ungefähr 100 000; eine leistungsfähige Simulation des Gehirns würde nach Moravec’ Annahme eine vergleichbare Vermehrung der Rechenleistung erfordern, so dass insgesamt rund 100 Millionen Millionen (10 14 ) Rechenoperationen pro Sekunde notwendig wären. 4 Unabhängige Schätzungen, die sich auf die Zahl der Synapsen im Gehirn und ihre typischen Impulsgeschwindigkeiten stützen,

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