Die verborgene Wirklichkeit
wenn er fertig ist, durchaus in der Lage sein, zu sprechen und zu fühlen.
Doch ganz gleich, wie das Ergebnis aussieht: Solche handfesten Untersuchungen sind für unsere Theorien über den Geist von entscheidender Bedeutung; die Frage, ob eine der unterschiedlichen Sichtweisen zutrifft, und wenn ja, welche, ist nach meiner festen Überzeugung durch reine Spekulation nicht zu beantworten. Auch die praktischen Schwierigkeiten liegen sofort auf der Hand. Angenommen, ein Computer würde eines Tages erklären, er könne fühlen – woher sollen wir wissen, ob es stimmt? Ich kann solche Behauptungen über bestimmte Empfindungen nicht einmal dann verifizieren, wenn sie von meiner Frau kommen. Ihr geht es umgekehrt mit mir genauso. Dieses Hindernis erwächst daraus, dass Bewusstsein eine Privatangelegenheit ist. Da aber die Wechselbeziehungen zwischen uns Menschen ausreichend indirekte Anhaltspunkte dafür liefern, dass unsere Mitmenschen empfindungsfähige, bewusste Wesen sind, wird der Solipsismus sehr schnell absurd. Vielleicht gelangen die Wechselbeziehungen zwischen uns und Computern eines Tages an einen ähnlichen Punkt. Wenn wir uns erst einmal mit Computern unterhalten, sie trösten oder mit ihnen herumalbern, sind wir eines Tages vielleicht überzeugt, dass sich ihre scheinbar bewusste Selbstwahrnehmung am einfachsten damit erklären lässt, dass sie tatsächlich über Bewusstsein und Selbstwahrnehmung verfügen.
Nehmen wir also einmal eine funktionalistische Sichtweise ein und überlegen wir, wohin sie führt.
Simulierte Universen
Wenn es uns jemals gelingen sollte, computergestütztes Bewusstsein zu schaffen, würde manch einer die denkenden Maschinen sicher gern in künstliche menschliche Körper einpflanzen und damit eine mechanische Spezies – Roboter – erzeugen, die als Akteure an der konventionellen Wirklichkeit teilhaben würden. Mich interessieren hier stattdessen jene, die von der Reinheit elektrischer Impulse fasziniert sind und sie nutzen wollen, um eine simulierte Umwelt zu programmieren, in der simulierte Wesen ausschließlich in der Hardware eines Computers existieren. Statt an C-3PO oder Data aus Star Trek sollte man also an das
Computerspiel Sims oder die virtuelle Online-Welt Second Life denken, wobei die Bewohner sich aber ihrer selbst bewusst sind und über einen reaktionsfähigen Geist verfügen. Die Geschichte der technischen Neuerungen legt die Vermutung nahe, dass die Simulation mit jeder Wiederholung lebensähnlicher würde, bis die künstlichen Welten, was körperliche Erscheinung und Erfahrungen angeht, ein überzeugendes Niveau an Vielschichtigkeit und Realismus erreichen. Wer dann eine Simulation ablaufen lässt, würde entscheiden, ob die simulierten Wesen wissen, dass sie innerhalb eines Computers existieren; simulierte Menschen, die vermuten, dass ihre Welt ein raffiniertes Computerprogramm ist, könnten sich, von simulierten Technikern in weißen Kitteln abgeführt, in simulierten geschlossenen Stationen wiederfinden. In ihrer großen Mehrheit würden die simulierten Wesen wahrscheinlich die Möglichkeit, dass sie sich in einer Computersimulation befinden, jedoch für zu abwegig halten und ihr keine weitere Aufmerksamkeit schenken.
Bei manch einem stellt sich genau diese Reaktion vielleicht gerade jetzt ein. Selbst wenn wir die Möglichkeit eines künstlichen Bewusstseins anerkennen, sind wir möglicherweise überzeugt, dass die ungeheure Komplexität bei der Simulation einer ganzen Zivilisation oder auch nur einer kleineren Gemeinschaft solche Leistungen für die Computertechnik unerreichbar macht. An dieser Stelle lohnt es sich, noch einmal ein paar Zahlen zu betrachten. Unsere entfernten Nachkommen werden vermutlich aus immer größeren Materiemengen immer riesigere Computernetzwerke bauen. Lassen wir der Fantasie also einmal freien Lauf. Denken wir in großen Maßstäben. Nach Schätzungen von Wissenschaftlern könnte ein heutiger Hochleistungsrechner, der so groß ist wie die Erde, zwischen 10 33 und 10 44 Rechenoperationen in der Sekunde ausführen. Wenn wir zum Vergleich davon ausgehen, dass unsere frühere Schätzung von 10 17 Operationen für ein menschliches Gehirn eine Zielgröße darstellt, führt ein durchschnittliches Gehirn im Laufe einer Lebensdauer von hundert Jahren insgesamt rund 10 24 Rechenoperationen aus. Multipliziert man dies mit den etwa 100 Milliarden Menschen, die jemals auf unserem Planeten gewandelt sind, so liegt die Gesamtzahl der
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