Die verborgene Wirklichkeit
gelangen zu einer Rechengeschwindigkeit, die mit rund 10 17 Rechenoperationen je Sekunde
nochmals um einige Zehnerpotenzen größer ist. Genauere Angaben sind schwierig, dennoch vermitteln diese Überlegungen zumindest einen Eindruck davon, mit welchen Größenordnungen wir es zu tun haben. Der Computer, den ich gerade benutze, rechnet mit einer Geschwindigkeit von ungefähr einer Milliarde Operationen je Sekunde; die schnellsten Supercomputer unserer Zeit erreichen Spitzengeschwindigkeiten von ungefähr 10 15 Operationen in der Sekunde (eine Aussage, die dieses Buch zweifellos schnell veralten lassen wird). Wenn wir für die Arbeitsgeschwindigkeit des Gehirns die höhere Schätzung zugrunde legen, kommen erst 100 Millionen Laptops oder 100 Supercomputer an die Rechenleistung eines menschlichen Gehirns heran.
Solche Vergleiche sind vermutlich naiv: Unser Gehirn birgt vielfältige Geheimnisse, und Rechengeschwindigkeit ist nur ein sehr grobes Maß für Funktionsfähigkeit. Immerhin sind sich heute fast alle einig, dass wir eines Tages zumindest was die reine Rechenkapazität angeht an das heranreichen werden, was die Biologie geleistet hat – und anschließend wahrscheinlich weit darüber hinausgehen. Zukunftsforscher behaupten, solche technischen Sprünge würden in eine Welt führen, die weit jenseits unserer vertrauten Erfahrungen liegt, so dass wir uns nicht einmal vorstellen können, wie sie aussehen wird. In Anspielung auf eine Analogie mit Phänomenen, die außerhalb der Gültigkeitsgrenzen unserer am höchsten entwickelten physikalischen Theorien liegen, bezeichnen sie diese Grenze unserer Visionen als Singularität. Einer groben Prognose zufolge wird die Grenze zwischen Mensch und Technik völlig verschwimmen, wenn Computer leistungsfähiger sind als das Gehirn. Laut manchen Vorhersagen wird die Welt von denkenden und fühlenden Maschinen bevölkert sein, während diejenigen von uns, die noch auf der altmodischen Biologie basieren, routinemäßig den Inhalt ihres Gehirns hochladen, Wissen und Charakter in silico , natürlich auch für die nötigen Sicherungskopien sorgen und es auf diese Weise unsterblich machen.
Solche Visionen könnten durchaus eine Übertreibung sein. Was die Vorhersagen über die Computerleistung angeht, gibt es kaum Meinungsverschiedenheiten, aber die unbeantwortete Frage liegt dabei auf der Hand: Werden wir eine derartige Leistungsfähigkeit jemals in eine radikale Verschmelzung von Geist und Maschine einfließen lassen? Diese moderne Frage hat uralte Wurzeln; eigentlich denken wir bereits seit Jahrtausenden darüber nach. Wie kommt es, dass die Außenwelt Reaktionen in unserem Inneren hervorruft? Nehmen Sie Farben genauso wahr wie ich? Wie steht es mit unserer Geräusch- und Tastempfindung? Was eigentlich ist die Stimme, die wir in unserem Kopf hören, der Strom des inneren Geplappers, den wir als unser bewusstes Ich bezeichnen?
Entstammt er ausschließlich physikalischen Prozessen? Oder erwächst Bewusstsein aus einer Schicht der Wirklichkeit, die über das Physikalische hinausgeht? Herausragende Denker aller Zeiten, von Platon und Aristoteles über Hobbes und Descartes, Hume und Kant, Kierkegaard und Nietzsche, James und Freud bis hin zu Wittgenstein, Turing und vielen anderen haben sich darum bemüht, Licht in jene Prozesse zu bringen (oder sie zu entlarven), die den Geist beleben und jenes einzigartige Innenleben erschaffen, das nur durch Introspektion zugänglich wird.
Über den Geist gibt es viele Theorien, die sich in großen und kleinen Aspekten unterscheiden. Auf die Feinheiten brauchen wir hier nicht einzugehen, aber um uns einen Eindruck zu verschaffen, wohin die Wege geführt haben, möchte ich einige Beispiele nennen: Den dualistischen Theorien zufolge, von denen es viele Varianten gibt, gehört zum Geist eine unentbehrliche nicht-physikalische Komponente. Auch die physikalistischen Theorien gibt es in vielen Spielarten: Sie leugnen eine solche Komponente und betonen stattdessen, dass jedem einzigartigen subjektiven Erleben ein einzigartiger Gehirnzustand zugrunde liegt. Funktionalistische Theorien gehen in dieser Beziehung noch einen Schritt weiter, weil darin nahegelegt wird, für die Entstehung eines Geistes seien vorwiegend Prozesse und Funktionen verantwortlich – Schaltkreise, ihre Verknüpfungen und Beziehungen –, nicht aber die Besonderheiten des physischen Mediums, in dem diese Prozesse stattfinden.
Physikalisten sind sich in einem Punkt weitgehend
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