Die verborgene Wirklichkeit
Kunstgriffe erfordern, die einem Bewohner wie plötzliche, verblüffende Veränderungen der Umwelt vorkommen, für die es keine erkennbare Ursache oder Erklärung gibt. Möglicherweise sind die Verbindungen auch nicht ganz und gar effektiv; die dabei entstehenden Widersprüche könnten sich im
Laufe der Zeit addieren und unter Umständen so schwerwiegend werden, dass die ganze Welt sich in Widersprüche verwickelt und die Simulation zusammenbricht.
Eine Möglichkeit, solche Schwierigkeiten zu umgehen, wäre die Anwendung einer anderen Vorgehensweise – ich nenne sie die »ultra-reduktionistische Strategie«; darin würde die Simulation nach einer einzigen Gruppe grundlegender Gleichungen ablaufen, ganz ähnlich wie die Physiker es sich für das wirkliche Universum vorstellen. Eine solche Simulation würde als Input eine mathematische Theorie der Materie und der grundlegenden Kräfte sowie eine Auswahl von »Anfangsbedingungen« (Angaben zum Stand der Dinge zu Beginn der Simulation) verwenden; der Computer würde dann die Zeitentwicklung besorgen, und damit würden die Verflechtungsschwierigkeiten des emergenten Verfahrens entfallen. Derartige Simulationen würden allerdings ihrerseits auf Berechnungsprobleme stoßen, die über die gewaltige erforderliche Rechenleistung für die Simulation von »allem«, die bis zum Verhalten einzelner Teilchen hinunterreicht, hinausgehen. Wenn die Gleichungen, über die unsere Nachkommen verfügen, denen ähneln, mit denen wir heute arbeiten – wenn sie insbesondere Zahlen enthalten, die innerhalb eines bestimmten Wertebereichs kontinuierlich variieren können –, müsste die Simulation zwangsläufig auf Näherungsverfahren zurückgreifen. Um einen sich kontinuierlich ändernden Zahlenwert genau zu verfolgen, müssten wir den Wert bis auf eine unendliche Zahl von Dezimalstellen beobachten (wenn eine solche Zahl beispielsweise zwischen 0,9 und 1 variiert, müsste sie Zahlen wie 0,9, 0,95, 0,958, 0,9583, 0,95831, 0,958317 und so weiter durchlaufen, wobei eine beliebig große Zahl von Dezimalstellen notwendig ist, um perfekte Genauigkeit zu erreichen). Eine solche Aufgabe kann ein Computer mit endlichen Ressourcen nicht bewältigen: Ihm würden Zeit und Speicherkapazität ausgehen. Selbst wenn also die allergrundsätzlichsten Gleichungen benutzt werden, ist es noch möglich, dass computergestützte Berechnungen nur Näherungen sind, und dann können sich Fehler im Laufe der Zeit addieren. aj
Mit »Fehler« meine ich hier natürlich Diskrepanzen zwischen dem Geschehen in der Simulation und der Beschreibung in den raffiniertesten physikalischen
Theorien, die dem Simulator zur Verfügung stehen. Für diejenigen jedoch, die innerhalb der Simulation leben, wären die mathematischen Regeln, nach denen der Computer arbeitet, die Naturgesetze. Die Frage ist also nicht, wie genau die vom Computer verwendeten mathematischen Gesetze die Außenwelt abbilden; wir stellen uns vor, dass wir die Außenwelt vom Innern der Simulation aus nicht beobachten. Für ein simuliertes Universum stellt sich vielmehr ein anderes Problem: Wenn der Computer die zur Simulation eigentlich exakter mathematischer Gleichungen notwendigen Näherungen vornimmt, können die resultierenden Rechnungen leicht instabil werden: Rundungsfehler, die sich über eine große Zahl von Rechenoperationen hinweg ansammeln, können zu Widersprüchlichkeiten führen. Wir und andere simulierten Wissenschaftler würden dann erleben, dass Experimente anormale Ergebnisse liefern; lieb gewordene Gesetze liefern plötzlich ungenaue Vorhersagen; Messungen, die lange Zeit immer wieder zu einem einzigen, allgemein bestätigten Ergebnis geführt haben, zeitigen plötzlich abweichende Resultate. Über lange Strecken würden wir und unsere simulierten Kollegen glauben, wir wären wie unsere Vorfahren im Laufe früherer Jahrhunderte und Jahrtausende auf Belege gestoßen, dass unsere endgültige Theorie doch nicht so endgültig ist, wie wir dachten. Gemeinsam würden wir die Theorie noch einmal genau überprüfen und dabei vielleicht zu neuen Gedanken, Gleichungen und Prinzipien gelangen, mit denen die Daten sich besser beschreiben lassen. Solange die Ungenauigkeiten nicht zu Widersprüchen führen, die das Programm abstürzen lassen, laufen wir allerdings irgendwann gegen eine Wand.
Nachdem wir lange nach möglichen Erklärungen gesucht haben, von denen aber keine die Vorgänge vollständig plausibel machen kann, kommt ein Querdenker vielleicht
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