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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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Phänomene offenlegten, die sich in völlig unvertrauten Bereichen abspielen, in denen die Dinge sich sehr schnell bewegen oder äußerst schwer oder ungeheuer winzig sind. Die Philosophievorlesungen erschütterten lieb gewordene Vorstellungen, weil sie die Grundlagen der Alltagserfahrungen infrage stellten. Woher wissen wir, dass es da draußen wirklich eine reale Welt gibt? Sollen wir unserer Wahrnehmung trauen? Was verbindet unsere Moleküle und Atome, so dass unsere persönliche Identität über lange Zeit hinweg erhalten bleibt?
    Eines Tages, als ich mich nach der Vorlesung noch im Hörsaal herumtrieb, fragte mich Nozick, wofür ich mich interessierte. Dreist erklärte ich, ich wolle an Quantengravitation und vereinheitlichten Theorien arbeiten. Ich war eigentlich gewohnt, dass Konversationen in dem Moment, in dem ich dieses Thema aufbrachte, rasch zu einem Ende kamen, aber für Nozick bot sich damit eine Chance, einem jungen Verstand eine neue Sichtweise zu eröffnen und ihn weiterzubilden. »Was steckt hinter Ihrem Interesse?«, wollte er wissen. Ich erwiderte, ich wolle ewige Wahrheiten finden und dazu beitragen zu verstehen, warum die Dinge so und nicht anders sind. Das war natürlich naiv und hitzköpfig. Doch Nozick hörte freundlich zu und verfolgte den Gedanken dann einen Schritt weiter. »Angenommen, Sie finden die vereinheitlichte Theorie«, sagte er. »Hätten Sie dann wirklich die Antworten, nach denen Sie suchen? Würden Sie nicht immer noch fragen, warum gerade diese Theorie und keine andere die richtige Theorie des Universums ist?« Damit hatte er natürlich Recht, aber ich erwiderte, man könne bei der Suche nach Erklärungen an einen Punkt gelangen, an dem wir bestimmte Dinge einfach als gegeben hinnehmen müssten. Genau an dieser Stelle wollte Nozick mich haben; als er seine Philosophical Explanations verfasste, hatte er eine Alternative zu meiner Sichtweise entwickelt. Ausgehend von dem »principle of
fecundity«, dem Fruchtbarkeitsprinzip, wie er es nannte, handelte es sich um den Versuch, Erklärungen zu formulieren, ohne »gewisse Dinge als gegeben hinzunehmen«; ohne, wie Nozick es erläuterte, irgendetwas als brutale Wahrheit anzuerkennen.
    Hinter diesem Trick steht ein einfaches philosophisches Manöver: Man mache die Frage unschädlich. Wenn man nicht erklären will, warum man eine bestimmte Theorie gegenüber einer anderen bevorzugen soll, dann bevorzugt man sie nicht. Nozick schlug vor, wir sollten uns als Teil eines Multiuniversums verstehen, das alle nur möglichen Universen einschließt. 7 Zu einem solchen Multiversum würden nicht nur die verschiedenen Formen gehören, die aus dem Quanten-Multiversum hervorgehen, oder die vielen Blasenuniversen des inflationären Multiversums oder die möglichen Stringwelten des Branen- oder Landschafts-Multiversums. Diese Multiversen allein würden Nozicks Voraussetzungen nicht erfüllen, denn man würde sich immer noch fragen: Warum gerade die Quantenmechanik? Warum die Inflationsmodelle? Warum die Stringtheorie? Stellen Sie sich stattdessen irgendein nur mögliches Universum vor – es kann aus den normalen Atomen bestehen, aber ein Universum, das ausschließlich aus geschmolzenem Mozzarella besteht, tut es auch –, und es hat seinen Platz in Nozicks System.
    Dies ist das letzte Multiversum, das wir betrachten wollen, denn das ist das umfassendste von allen – und das umfassendste, das überhaupt möglich ist. Jedes Multiversum, das jemals gewesen ist und jemals sein wird, besteht selbst aus möglichen Universen und ist deshalb Teil dieses Mega-Konglomerats, das ich als letztmögliches Multiversum bezeichnen möchte. Stellt man vor diesem Hintergrund die Frage, warum unser Universum den Gesetzen unterliegt, die wir mit unserer Forschung entdeckt haben, greift die Antwort auf das anthropische Prinzip zurück: Es gibt da draußen auch andere Universen, es gibt sogar alle möglichen Universen, aber wir bewohnen gerade dieses und kein anderes, weil es zu denen gehört, in denen unsere Form von Leben möglich ist. In den anderen Universen, in denen wir leben könnten – von denen es sicher viele gibt, denn unter anderem können wir sicher ausreichend kleine Veränderungen der verschiedenen grundlegenden physikalischen Parameter überleben –, existieren ebenfalls Menschen, die uns stark ähneln und die gleichen Fragen stellen. Und für sie trifft die gleiche Antwort ebenso gut zu. Entscheidend ist, dass die Eigenschaft der Existenz einem

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