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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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rechnete damit, mit seinen eigenen Arbeiten Maxwells Konsolidierungsprogramm weiter vorantreiben zu können, indem er den nächsten und möglicherweise letzten Schritt in Richtung einer vollkommen einheitlichen Beschreibung der Naturgesetze vollzog – einer Beschreibung, die Elektromagnetismus und Gravitation zusammenführte.
    Das war kein bescheidenes Ziel, und Einstein nahm es nicht auf die leichte Schulter. Er verfügte in beispielhafter Weise über die Fähigkeit, sich ausschließlich Problemen zu widmen, die er sich selbst gestellt hatte, und während der letzten dreißig Jahre seines Lebens verfolgte er die Frage der Vereinheitlichung mit regelrechter Besessenheit. Helen Dukas, seine Privatsekretärin und Haushälterin, war am 17. April 1955 bei Einstein im Princeton-Hospital. Sie berichtet, dass Einstein, der bereits bettlägerig war, sich aber ein wenig kräftiger fühlte, nach den Blättern mit den Gleichungen fragte, in denen er endlos mit den mathematischen Symbolen gespielt hatte; noch immer hatte er die schwache Hoffnung, die einheitliche Feldtheorie werde Wirklichkeit werden. Den Sonnenaufgang des nächsten Morgens
erlebte Einstein nicht mehr. Seine letzten Kritzeleien hatten kein neues Licht auf die Frage der Vereinheitlichung geworfen. 1
    Unter Einsteins Zeitgenossen teilten nur die wenigsten seine Leidenschaft für die Vereinheitlichung. Von Mitte der zwanziger bis Mitte der sechziger Jahre ließen sich die Physiker von der Quantenmechanik leiten: Sie entschlüsselten die Geheimnisse des Atoms und lernten, wie man seine verborgenen Kräfte nutzbar machen kann. Von der Aussicht, die Bestandteile der Materie auseinanderzunehmen, ging eine unmittelbare, starke Verlockung aus. Zwar war man sich vielfach einig, dass die Vereinheitlichung ein lobenswertes Ziel sei, aber zu einer Zeit, als Theoretiker und Experimentalphysiker Hand in Hand arbeiteten, um die Gesetze des Allerkleinsten zu durchleuchten, war sie nur von nebensächlichem Interesse. Nach Einsteins Tod kamen die Arbeiten an der Vereinheitlichung zum Erliegen.
    Noch schwerer wog sein Scheitern, als sich durch spätere Forschungsarbeiten herausstellte, dass er sich in seinem Streben nach Einheitlichkeit zu stark eingeschränkt hatte. Einstein hatte nicht nur die Bedeutung der Quantenphysik heruntergespielt (er glaubte, eine einheitliche Theorie werde die Quantenmechanik verdrängen und deshalb brauche er sie von vornherein nicht zu berücksichtigen), sondern er versäumte es auch, zwei weitere Kräfte in Rechnung zu stellen, die sich in den Experimenten zeigten: die starke und die schwache Kernkraft . Die erste bildet einen starken »Klebstoff«, der die Atomkerne zusammenhält, die zweite ist unter anderem für bestimmte Sorten von radioaktivem Zerfall verantwortlich. Zur Vereinheitlichung musste man also nicht nur zwei, sondern vier Kräfte unter einen Hut bringen; Einsteins Traum schien ferner als je zuvor.
    In den späten sechziger und den siebziger Jahren wendete sich das Blatt. Wie die Physiker jetzt erkannten, boten die Methoden der Quantenfeldtheorie, die man bereits erfolgreich auf die elektromagnetische Kraft angewandt hatte, auch den geeigneten Rahmen für eine Beschreibung der schwachen und starken Kernkraft. Alle drei Kräfte konnte man also mit der gleichen mathematischen Sprache beschreiben, wenn auch nicht die Gravitation. Außerdem zeigten sich bei eingehender Analyse der Quantenfeldtheorien – insbesondere in den mit dem Nobelpreis augezeichneten Arbeiten von Sheldon Glashow, Steven Weinberg und Abdus Salam sowie in den späteren Befunden Glashows und seines Kollegen Howard Georgi von der Harvard University – Zusammenhänge, die auf Möglichkeiten schließen ließen, die elektromagnetische Kraft, die schwache und die starke Kernkraft zu vereinheitlichen. Nun nahmen die theoretischen Physiker Einsteins fast ein halbes Jahrhundert alten Faden wieder auf und begannen
ernsthaft in Erwägung zu ziehen, dass sich die scheinbar so unterschiedlichen Kräfte tatsächlich als Ausdrucksformen einer einzigen, zusammenhängenden Naturkraft betrachten lassen könnten. 2
    Das waren beeindruckende Schritte in Richtung der Vereinheitlichung, aber neben den ermutigenden Fortschritten gab es da noch ein hartnäckiges, lästiges Problem: Immer wenn Wissenschaftler die Methoden der Quantenfeldtheorie auf die vierte Naturkraft – die Gravitation – anwandten, funktionierte die Mathematik nicht. Berechnungen, die sich der Quantenmechanik und

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