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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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mathematischen Berechnungen voller Widersprüche, wie beispielsweise den unendlichen Werten für die Wahrscheinlichkeit.
    Um ein Gefühl dafür zu bekommen, warum das so ist, können wir uns den Besitzer eines alten Wohnhauses in San Francisco vorstellen. Wenn er Mieter hat, die wilde Partys feiern, ist der Umgang mit der Situation vielleicht schwierig, aber man macht sich keine Sorgen darum, dass die Feiern die Bausubstanz des Hauses als solche beeinträchtigen werden. Gibt es jedoch ein Erdbeben, steht der Hausbesitzer vor einer viel komplizierteren Situation. Die Schwankungen der starken und schwachen Kernkraft sowie der elektromagnetischen Kraft – Felder, die Mieter im Haus der Raumzeit sind – ähneln den Partylöwen in dem Haus. Eine ganze Generation theoretischer Physiker musste sich der Frage widmen, wie man mit ihren wilden Fluktuationen zurechtkommt, bis man in den siebziger Jahren schließlich mathematische Methoden entwickelt hatte, mit denen man die Quanteneigenschaften der drei Kräfte beschreiben konnte. Die Fluktuationen des Gravitationsfeldes jedoch haben einen ganz anderen Charakter. Sie ähneln eher einem Erdbeben. Da das Gravitationsfeld mit den grundlegenden Eigenschaften der Raumzeit als solcher verflochten ist, erschüttern seine
Quantenfluktuationen das gesamte Gebäude von oben bis unten. Als man solche umfassenderen Quantenfluktuationen analysieren wollte, versagten die herkömmlichen mathematischen Methoden. 5
    Über Jahre hinweg steckten die Physiker gegenüber diesem Problem den Kopf in den Sand, denn es tritt nur unter extremen Bedingungen zutage. Gravitation hinterlässt ihre Spuren, wenn es um sehr massereiche Dinge geht, die Quantenmechanik dagegen gilt für den Bereich des Allerkleinsten. Ein Bereich, der klein und massereich zugleich ist, so dass man sich zu seiner Beschreibung sowohl der Quantenmechanik als auch der Allgemeinen Relativitätstheorie bedienen muss, kommt nur selten vor. Doch es gibt solche Bereiche. Nimmt man Gravitation und Quantenmechanik zu Hilfe, um damit entweder den Urknall oder Schwarze Löcher zu analysieren – Bereiche, an denen die Extreme einer gewaltigen, auf geringe Größe zusammengequetschten Masse vorkommen –, gehen die Berechnungen an einer entscheidenden Stelle in den Analysen daneben, und wir stehen vor unbeantworteten Fragen danach, wie das Universum seinen Anfang nahm und wie es im alles zerquetschenden Inneren eines Schwarzen Lochs sein Ende finden könnte.
    Außerdem – und das ist der eigentlich schwierige Teil – kann man über die Sonderfälle der Schwarzen Löcher und des Urknalls hinaus berechnen, wie massereich und wie klein ein physikalisches System sein muss, damit sowohl Gravitation als auch Quantenmechanik eine merkliche Rolle spielen. Das Ergebnis ist die sogenannte Planck-Masse , ungefähr das 10 19 -Fache der Masse eines einzelnen Protons, zusammengequetscht in das ungeheuer geringe Volumen von ungefähr 10 – 99 Kubikzentimetern (das ist ungefähr eine Kugel mit einem Radius von 10 – 33 Zentimetern, der sogenannten Planck-Länge , die in Abbildung 4.1 grafisch dargestellt ist). 6 Der Bereich der Quantengravitation liegt also mehr als eine Million Milliarden Mal jenseits der Größenskalen, die wir selbst mit den leistungsfähigsten Teilchenbeschleunigern der Welt untersuchen können. Dieses riesige unerforschte Gelände könnte ohne Weiteres voller neuer Felder und zugehöriger Teilchen sein – und wer weiß, was es dort sonst noch gibt. Um Gravitation und Quantenmechanik zusammenzuführen, müssen wir von hier nach dort wandern und das Bekannte ebenso wie das Unbekannte in einem ungeheuer weiten Bereich begreifen, der für uns experimentell zum größten Teil nicht zugänglich ist. Das ist eine wahrhaft ehrgeizige Aufgabe, und viele Wissenschaftler waren zu dem Schluss gelangt, sie werde immer außerhalb unserer Reichweite bleiben.
    Abbildung 4.1 Die Planck-Länge, bei der Gravitation und Quantenmechanik aufeinandertreffen, ist rund 100 Milliarden Milliarden mal kleiner als alles, was bisher experimentell untersucht wurde. In dem Diagramm bezeichnet jede der im gleichen Abstand eingezeichneten längeren Markierungen eine Größenabnahme um den Faktor 1000; auf diese Weise passt das Diagramm auf eine Seite, aber visuell wird das gewaltige Spektrum der Maßstäbe heruntergespielt. Um einen besseren Eindruck zu bekommen, kann man sich etwas anderes vorstellen: Würde man ein Atom so weit vergrößern, dass es die

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