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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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haben, können sich bei der Beantwortung einer anderen erstaunlich stark auswirken. Ein einzelner Regentropfen wird das Gewicht eines Felsblocks kaum nennenswert verändern. Wenn der Block aber hoch oben auf dem Rand einer Klippe balanciert, könnte der Regentropfen ihn durchaus hinunterstürzen lassen, womit ein Erdrutsch in Gang gesetzt wird. Hier würde eine Näherungslösung, die den Regentropfen außer Acht lässt, ein wesentliches Detail übersehen.
    Mitte der neunziger Jahre entdeckten die Stringtheoretiker eine Entsprechung zu diesem Regentropfen. Wie sie feststellten, hatte man mit verschiedenen mathematischen Näherungslösungen, die allgemein zur Analyse der Stringtheorie in Gebrauch waren, entscheidende physikalische Tatsachen übersehen. Als man genauere mathematische Methoden entwickelte und anwandte, konnten die Stringtheoretiker endlich die Näherungslösungen hinter sich lassen, und nun rückten zahlreiche unvorhergesehene Aspekte der Theorie in den Mittelpunkt des Interesses. Einer davon waren neue Typen von Paralleluniversen, von denen eine Variante vielleicht am ehesten experimentell zugänglich sein könnte.

    Jenseits der Näherungslösungen
    Jedes anerkannte Gebiet der theoretischen Physik – wie klassische Mechanik, Elektromagnetismus, Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie – ist durch eine zentrale Gleichung oder eine Gruppe von Gleichungen definiert. (Diese Gleichungen muss man im Einzelnen nicht unbedingt kennen, einige von ihnen habe ich aber in den Anmerkungen aufgeführt.) 1 Das Problem besteht darin, dass diese Gleichungen, von den allereinfachsten Situationen abgesehen, außerordentlich schwierig zu lösen sind. Deshalb bedienen sich die Physiker routinemäßig bestimmter Vereinfachungen – sie lassen beispielsweise die Gravitation des Pluto außer Acht oder tun so, als sei die Sonne vollkommen rund. Damit werden die mathematischen Berechnungen einfacher, und Näherungslösungen rücken in Reichweite.
    Was die Stringtheorie angeht, stand die Forschung lange Zeit vor noch größeren Herausforderungen. Schon die zentralen Gleichungen zu finden, erwies sich als so schwierig, dass die Physiker nur angenäherte Versionen entwickeln konnten. Und selbst diese Näherungsgleichungen waren so kompliziert, dass vereinfachte Annahmen nötig waren, um überhaupt Lösungen finden zu können; die Forschung stützte sich also auf Annäherungen an Annäherungen. In den neunziger Jahren verbesserte die Situation sich jedoch drastisch. Mehrere Stringtheoretiker erzielten große Fortschritte und vermochten zu zeigen, wie man die Näherungslösungen hinter sich lassen kann. Damit gelangten sie zu einer nie dagewesenen Klarheit, was das Verständnis der Theorie angeht, und zu ganz neuen Erkenntnissen.
    Um einen Eindruck von diesen Durchbrüchen zu gewinnen, können wir uns vorstellen, dass Bart vorhat, in den nächsten beiden Runden der wöchentlichen, weltweiten Lotterie mitzuspielen. Er ist stolz darauf, dass er die Gewinnchancen ausgerechnet hat, und teilt Lisa sein Ergebnis mit: Da seine Chance jede Woche eins zu einer Milliarde beträgt, liegt die Gewinnchance, wenn er beide Runden mitspielt, bei zwei zu einer Milliarde oder 0,000000002. Darauf muss Lisa grinsen. »Naja, fast, Bart.« »Tatsächlich, Schlaumeier? Was meinst du mit fast ?« »Nun ja«, erwidert sie, »du hast deine Chancen ein wenig überschätzt. Solltest du in der ersten Runde gewinnen, steigen deine Gewinnchancen mit deiner Teilnahme an der zweiten Runde nicht an; du hast ja schon gewonnen. Wenn du zwei Mal gewinnst, haben wir natürlich mehr Geld, klar, aber da du die Chance ausrechnen willst, überhaupt zu gewinnen, spielt es keine Rolle, ob du nach der ersten Verlosung auch bei der zweiten gewinnst. Um die genaue Antwort zu bekommen, musst du also von deinem Wert die Wahrscheinlichkeit abziehen,
in beiden Runden zu gewinnen – eins zu einer Milliarde mal eins zu einer Milliarde oder 0,000000000000000001. Das ergibt insgesamt eine Chance von 0,000000001999999999. Noch Fragen, Bart?«
    Abgesehen von der Selbstgefälligkeit, ist Lisas Methode ein schönes Beispiel für eine Störungsrechnung , wie die Physiker es nennen. Wenn man eine Berechnung anstellen will, ist es oft am einfachsten, in einer ersten Runde nur die offensichtlichsten Faktoren einzubeziehen – das war Barts Ausgangspunkt – und erst in einem zweiten Durchgang kleinere Details zu berücksichtigen; die im ersten Schritt gewonnene Antwort wird

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