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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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und – mit unterschiedlichem Erfolg – genutzt. Die in jüngerer Zeit erfolgreichste Variante bedient sich einer besonderen Form von Sternexplosionen, sogenannten Supernovae vom Typ Ia. Zu einer solchen Supernova kommt es, wenn ein Stern aus der Gruppe der Weißen Zwerge Materie von der Oberfläche eines anderen Sterns abzieht, in der Regel von einem nahe gelegenen Roten Riesen, um den er kreist. Die Physik des Sternaufbaus trifft die eindeutige Aussage, dass ein Weißer Zwerg, der genügend Materie auf sich gezogen hat (so dass seine Gesamtmasse ungefähr das 1,4-Fache der Sonnenmasse beträgt), unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrechen muss. Der Zwergstern kollabiert und setzt eine so heftige Explosion in Gang, dass das dabei erzeugte Licht mit der Leuchtstärke der rund hundert Milliarden übrigen, in der gleichen Galaxis beheimateten Sterne leicht konkurrieren kann.
    Supernovae dieses Typs sind ideale Standardkerzen. Da die Explosionen so heftig sind, können wir sie über ungeheuer große Entfernungen hinweg sehen. Das Entscheidende dabei: Da alle derartigen Explosionen auf den gleichen physikalischen Prozess zurückzuführen sind – die Masse eines Weißen Zwerges ist auf das 1,4-Fache der Sonnenmasse angestiegen, was zu seinem Kollaps geführt hat –, haben die daraus entstehenden Supernovae auf ihrem Höhepunkt eine sehr ähnliche absolute Helligkeit. Ein Problem dabei ist allerdings: In einer typischen Galaxis findet ein solches Ereignis nur alle paar hundert Jahre statt. Wie ertappt man solche Supernovae in flagranti? Sowohl das Supernova Cosmology Project als auch das High-Z Supernova Search Team gehen das Hindernis mit einer Methode an, die an epidemiologische Untersuchungen erinnert: Man kann auch über relativ seltene Krankheiten zuverlässige Informationen gewinnen, wenn man
große Populationen untersucht. Und mit Teleskopen, die mit ihren Weitwinkel-Detektoren gleichzeitig Tausende von Galaxien untersuchen konnten, gelang es den Wissenschaftlern denn auch, Dutzende von Supernovae des Typs Ia ausfindig zu machen. Diese konnten sie dann mit konventionellen Teleskopen genauer beobachten. Anhand ihrer scheinbaren Helligkeit berechnete man die Entfernung einiger Dutzend Galaxien, die Milliarden Lichtjahre von uns entfernt sind – womit die Wissenschaftler den ersten Schritt in Richtung ihres selbstgesteckten Ziels vollzogen hatten.
    Um welche Entfernungen geht es überhaupt?
    Bevor wir zum nächsten Schritt kommen, der Ermittlung der Expansionsgeschwindigkeit des Universums zu den Zeitpunkten, an denen sich diese weit entfernten Supernovae ereigneten, möchte ich kurz einen möglichen Anlass für Verwirrung aus dem Weg räumen. Wenn wir vor dem Hintergrund eines Universums, das ständig expandiert, über derart fantastisch große Entfernungen sprechen, erhebt sich unausweichlich die Frage, welche Entfernungen die Astronomen da eigentlich messen. Handelt es sich um die Entfernung zwischen den Orten, an denen wir und eine bestimmte Galaxie uns jeweils vor Urzeiten befunden haben, als die Galaxie das Licht aussandte, das wir jetzt sehen? Oder ist es die Entfernung zwischen unserer jetzigen Position und der jetzigen Position der Galaxie?
    Die sinnvollste Weise, über diese und eine Fülle weiterer, ähnlich verwirrender kosmologischer Fragen nachzudenken, ist meiner Überzeugung nach die folgende:
    Angenommen, wir wollen die Entfernungen in Luftlinie zwischen den drei Städten New York, Los Angeles und Austin in Erfahrung bringen. Also messen wir ihre Abstände auf einer Landkarte der Vereinigten Staaten. Dabei stellen wir fest, dass New York 39 Zentimeter von Los Angeles entfernt ist, von Los Angeles sind es 19 Zentimeter nach Austin, und von Austin messen wir 24 Zentimeter bis New York. Nun rechnen wir diese Messungen in reale Entfernungen um. Dazu sehen wir uns die Maßstabsangabe in der Legende der Karte an: ein Zentimeter = 100 Kilometer; daraus können wir schließen, dass die drei Städte rund 3900 Kilometer, 1900 Kilometer und 2400 Kilometer voneinander entfernt sind.
    Nun stellen wir uns vor, die Erdoberfläche würde gleichmäßig anschwellen, so dass sich alle Entfernungen verdoppeln. Das wäre sicher ein radikaler
Wandel, aber unsere Landkarte der Vereinigten Staaten wäre nach wie vor vollkommen gültig; wir müssten nur eine wichtige Veränderung vornehmen: Die Legende müsste so umgeschrieben werden, dass der Maßstab jetzt »1 Zentimeter = 200 Kilometer« lautet. 39 Zentimeter, 19

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