Die verborgene Wirklichkeit
verloren den Mut.
Andere sind zuversichtlicher und glauben, es sei noch zu früh, die Hoffnung aufzugeben. Eines Tages – und dieser Tag mag unmittelbar bevorstehen oder noch weit entfernt sein – könnten wir das fehlende Prinzip entdecken, das darüber bestimmt, wie die zusätzlichen Dimensionen aussehen und welche Flüsse die Form zur Schau trägt.
Wieder andere haben eine noch radikalere Wendung vollzogen. Vielleicht, so ihre Vermutung, sollten wir aus den Jahrzehnten der fruchtlosen Versuche, die Form der zusätzlichen Dimensionen dingfest zu machen, eine Lehre ziehen. Vielleicht, so fahren diese Radikalen unverfroren fort, müssen wir alle möglichen Formen und Flüsse ernst nehmen, die sich aus der Mathematik der Stringtheorie ergeben. Vielleicht, so meinen sie, sind alle diese Möglichkeiten in der Mathematik enthalten, weil sie alle real sind , weil jede Form die zusätzlichen Dimensionen ihres eigenen Universums darstellt. Und vielleicht, und auf diese Weise wird der wilde Ausflug in die Fantasie dann doch wieder mit Beobachtungsdaten in Verbindung gebracht, vielleicht ist genau das notwendig, wenn man sich mit dem vielleicht schwierigsten Problem von allen beschäftigt: mit der kosmologischen Konstante.
KAPITEL 6
Neue Gedanken über eine alte Konstante: Das Landschafts-Multiversum
Zwischen 0 und 0,00000000000000000000000000000000000000000000 0000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000000001 besteht, so könnte man meinen, kein großer Unterschied. Nach allen uns vertrauten Maßstäben ist er tatsächlich nicht groß. Und doch mehren sich die Anzeichen, dass dieser winzige Unterschied die Ursache für einen radikalen Wandel unserer Sichtweise auf die Realitäts-Landschaft sein könnte.
Die oben abgedruckte, winzig kleine Zahl wurde erstmals 1998 von zwei Astronomenteams gemessen, die peinlich genaue Beobachtungen an explodierenden Sternen in weit entfernten Galaxien anstellten. Was ist das für eine Zahl, und warum wird ein solcher Wirbel darum veranstaltet? Die Antwort: Immer mehr Indizien deuten darauf hin, dass es sich bei ihr um das handelt, was ich zuvor als Eintrag in der dritten Zeile in der Steuererklärung der Allgemeinen Relativitätstheorie bezeichnet habe: Einsteins kosmologische Konstante, die angibt, wie viel unsichtbare Dunkle Energie den Raum erfüllt.
Seit dieser Befund allen weiteren Überprüfungen standgehalten hat, kommen die Physiker nicht mehr darum herum: Die früheren Beobachtungen und theoretischen Überlegungen aus vielen Jahrzehnten, deretwegen die große Mehrzahl der Forscher überzeugt war, dass die kosmologische Konstante null ist, müssen über Bord geworfen werden. Nach der Entdeckung der Dunklen Energie machte sich eine Reihe Theoretiker eifrig daran, herauszufinden, wo sie sich geirrt hatten. In Wirklichkeit hatten sich nicht alle geirrt. Schon Jahre zuvor hatte eine umstrittene Denkrichtung zu der Vermutung geführt, dass man eines Tages eine kosmologische Konstante finden könnte, deren Wert nicht null beträgt. Die entscheidende Annahme dabei? Wir leben in einem von vielen Universen. Von vielen Universen.
Die Rückkehr der kosmologischen Konstante
Erinnern wir uns noch einmal, was wir über die kosmologische Konstante bereits erfahren haben: Wenn sie existiert, füllt sie den Raum mit einer gleichförmigen, unsichtbaren Energie, der sogenannten Dunklen Energie, deren charakteristisches Merkmal ihre abstoßende Gravitationskraft wäre. Einstein bekannte sich 1917 zu dieser Idee und zog die abstoßende Gravitation der kosmologischen Konstante heran, um einen Ausgleich für die anziehende Gravitationskraft der gewöhnlichen Materie im Universum zu schaffen und so einen Kosmos zu ermöglichen, der sich weder ausdehnt noch zusammenzieht. p
Vielfach kann man nachlesen, dass Einstein die kosmologische Konstante nach den Beobachtungen, mit denen Hubble 1929 die Expansion des Raumes nachgewiesen hatte, als seine »größte Eselei« bezeichnet habe. George Gamow zufolge soll Einstein sich in einem Gespräch dergestalt geäußert haben, aber da Gamow einen Hang zu spielerischen Übertreibungen hatte, wurde der Wahrheitsgehalt seiner Geschichte mehrfach angezweifelt. 1 Eines ist jedoch sicher: Nachdem Beobachtungen gezeigt hatten, dass Einstein sich mit seinem Glauben an ein unveränderliches Universum geirrt hatte, ließ er die kosmologische Konstante in seinen Gleichungen weg. Jahre später stellte er fest: »Würde die
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