Die verborgene Wirklichkeit
gemacht hatten, dann erkennen wir, dass eine solche Schlussfolgerung auf Selektionseffekten beruht, weil nur die Allerstärksten die Reise überhaupt überlebt haben.
Solche Möglichkeiten für Verfälschungen muss man in Betracht ziehen, um zu sinnvollen Befunden zu gelangen und die nutzlose Suche nach Erklärungen für Schlussfolgerungen zu vermeiden, die sich auf nicht repräsentative Daten stützen. Warum sind Forellen ausgestorben? Was sind die Ursachen für das wachsende Interesse der Bevölkerung an Opern? Woher kommt es, dass eine bestimmte ethnische Gruppe so erstaunlich widerstandsfähig ist? Verfälschte Beobachtungen können zum Anlass für sinnlose Bemühungen werden, wenn man Dinge erklären will, die bei einer umfassenderen, repräsentativeren Betrachtung irrelevant werden.
In den meisten Fällen sind solche Verfälschungen leicht zu erkennen und zu korrigieren. Es gibt aber eine ähnliche Form von Verzerrungen, die subtiler und so grundsätzlicher Natur sind, dass man sie leicht übersehen kann. Dabei haben
die Begrenzungen im Hinblick darauf, wann und wo wir leben können , tief greifende Auswirkungen auf das, was wir sehen können. Wenn wir nicht berücksichtigen, wie solche ureigenen Begrenzungen sich auf unsere Beobachtungen auswirken, gelangen wir wie in den zuvor genannten Beispielen unter Umständen zu völlig irrigen Schlussfolgerungen, darunter einigen, die uns auf einen nutzlosen Weg zur Erklärung sinnloser Illusionen dirigieren.
Stellen wir uns beispielsweise vor, wir wollten (wie der große Wissenschaftler Johannes Kepler) erklären, warum die Erde 150 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt ist. Wir wollen etwas tief in den Gesetzen der Physik Verborgenes finden, das diese beobachtete Tatsache erklärt. Jahrelang geben wir uns große Mühe, können indes keine überzeugende Erklärung konstruieren. Sollen wir es weiterhin versuchen? Nun, wenn wir über unsere eigenen Bestrebungen nachdenken und den Selektionseffekt berücksichtigen, erkennen wir sehr schnell, dass wir einem Phantom hinterherjagen.
Die Gravitationsgesetze – Newtons ebenso wie die von Einstein – lassen zu, dass ein Planet einen Stern in jeder beliebigen Entfernung umkreist. Wenn wir die Erde packen, in irgendeine andere Entfernung von der Sonne verschleppen und dann wieder mit der richtigen Geschwindigkeit (die sich mit grundlegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten leicht berechnen lässt) in Bewegung setzen könnten, würde sie vergnügt ihre Umlaufbahn ziehen. Das einzig Besondere an den 150 Millionen Kilometern Sonnenabstand ist die Tatsache, dass durch sie die Temperaturen auf der Erde in einem Wertebereich liegen, der unser Dasein begünstigt. Wäre die Erde viel näher an der Sonne oder viel weiter von ihr entfernt, wäre es viel heißer oder kälter, was eine wesentliche Voraussetzung für Leben, wie wir es kennen, beseitigen würde: das flüssige Wasser. Hier zeigt sich die eingebaute Verfälschung: Allein die Tatsache, dass wir die Entfernung von unserem Planeten zur Sonne messen, bedeutet bereits, dass das von uns gefundene Ergebnis in dem begrenzten Bereich liegen muss, der sich mit unserer eigenen Existenz verträgt. Ansonsten gäbe es uns nicht, und wir wären nicht hier, um über die Entfernung der Erde zur Sonne nachzudenken.
Wenn die Erde der einzige Planet im Sonnensystem oder gar im ganzen Universum wäre, würden wir uns vielleicht immer noch veranlasst fühlen, unsere Untersuchungen fortzusetzen. Ja, so würden wir dann vielleicht sagen, mir ist klar, dass mein eigenes Dasein an die Entfernung der Erde von der Sonne gebunden ist, aber das verstärkt nur meinen Drang, zu erklären, warum die Erde sich zufällig gerade in einer solchen angenehmen, mit dem Leben vereinbaren Position befindet. Ist es nur ein glücklicher Zufall? Oder gibt es dafür eine tiefere Erklärung?
Aber die Erde ist nicht der einzige Planet im Universum und erst recht nicht im Sonnensystem. Es gibt noch viele andere. Und diese Tatsache lässt solche Fragen in einem ganz anderen Licht erscheinen. Was meine ich damit? Stellen wir uns einmal vor, wir seien fälschlich der Ansicht, in einem Geschäft gebe es nur Schuhe einer einzigen Größe, und deshalb sind wir freudig überrascht, als die Verkäuferin uns ein Paar bringt, das wie angegossen passt. »Es gibt so viele Schuhgrößen«, überlegen wir vielleicht, »da ist es schon erstaunlich, dass die eine, die sie haben, gerade meine ist. Ist das ein glücklicher
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