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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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zusätzlicher Symmetrieprinzipien und Aufhebungsmechanismen postulierten; mit keinem ließ sich jedoch der theoretische Nachweis für ein Verschwinden der kosmologischen Konstante erbringen. Dennoch hielten die meisten Wissenschaftler dies ausschließlich für eine Folge unserer unvollständigen physikalischen Kenntnisse, nicht aber für einen Hinweis, dass der Glaube an eine verschwindende kosmologische Konstante irrig sei.

    Ein Physiker, der diese Lehrmeinung infrage stellte, war der Nobelpreisträger Steven Weinberg. s Er schlug 1987, mehr als zehn Jahre vor den revolutionären Messungen an den Supernovae, in einem Artikel ein anderes theoretisches System vor, das zu einem deutlich anderen Ergebnis führt: zu einer kosmologischen Konstante, die klein, aber nicht null ist. Mit seinen Berechnungen stützte Weinberg sich auf eine Idee, welche die Physiker stärker polarisiert hat als jede andere in den letzten Jahrzehnten. Es geht um ein Prinzip, das die einen verehren und die anderen verteufeln, das die einen tiefgründig und die anderen töricht nennen. Mit seinem offiziellen, aber irreführenden Namen heißt es anthropisches Prinzip .
    Kosmische Anthropie
    Nikolaus Kopernikus’ heliozentrisches Modell des Sonnensystems gilt als der erste überzeugende wissenschaftliche Nachweis dafür, dass wir Menschen nicht im Mittelpunkt des Kosmos stehen. Moderne Entdeckungen haben diese Lehre eindrucksvoll bestätigt. Wie wir heute wissen, war Kopernikus’ Erkenntnis nur eine Herabstufung in einer ganzen Reihe, durch welche die alten Annahmen über die Sonderstellung der Menschheit über den Haufen geworfen wurden: Wir befinden uns nicht im Mittelpunkt des Sonnensystems, wir befinden uns nicht im Mittelpunkt der Galaxis, wir befinden uns nicht im Mittelpunkt des Universums, ja, wir bestehen noch nicht einmal aus denjenigen dunklen Bestandteilen, die im Universum den allergrößten Teil der Masse ausmachen. Eine solche kosmische Herabstufung vom Hauptdarsteller zum Komparsen verkörpert das, was man in der Wissenschaft heute als kopernikanisches Prinzip bezeichnet: Nach allem, was wir heute wissen, deutet nichts darauf hin, dass die Menschen im großen Weltgefüge eine bevorzugte Position einnehmen.
    Fast fünfhundert Jahre nach Kopernikus, auf einer denkwürdigen Tagung in Krakau, gab insbesondere ein Vortrag des australischen Physikers Brandon Carter dem kopernikanischen Prinzip eine faszinierende Wendung. Carter erläuterte seine Ansicht, wonach ein übermäßig starres Festhalten an der kopernikanischen Sichtweise die Wissenschaftler unter bestimmten Umständen von der Gelegenheit, bedeutsame Fortschritte zu erzielen, ablenken könnte. Ja, so erklärte
auch Carter, wir Menschen stehen nicht im Mittelpunkt der kosmischen Ordnung. Aber, so fuhr er fort – und seine Schlüsse stehen in einer Reihe mit ähnlichen Erkenntnissen von Wissenschaftlern wie Alfred Russel Wallace, Abraham Zelmanov und Robert Dicke –, es gibt einen Bereich, in dem wir tatsächlich eine absolut unentbehrliche Rolle spielen: bei unseren eigenen Beobachtungen. So weit wir auch durch Kopernikus und sein Vermächtnis herabgestuft wurden, wir nehmen immer noch die Spitzenstellung ein, wenn es um das Verdienst geht, Daten zu sammeln und zu analysieren, die unsere Überzeugungen prägen. Wegen dieser unvermeidlichen Position müssen wir einen Effekt berücksichtigen, den die Statistiker als Selektionseffekt bezeichnen.
    Dahinter steht eine einfache, in weiten Bereichen anwendbare Idee. Wenn wir etwas über Forellenpopulationen herausfinden wollen und uns als Untersuchungsgebiet ausschließlich die Sahara aussuchen, werden die Daten verfälscht sein, weil wir uns auf eine Umwelt konzentriert haben, die für unseren Untersuchungsgegenstand besonders unwirtlich ist. Wenn wir das Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit an Opern untersuchen und uns in unserer Umfrage ausschließlich auf die Datenbank der Zeitschrift Can’t Live Without Opera stützen, werden wir keine zutreffenden Befunde erhalten, weil die Befragten nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind. Wenn wir eine Gruppe von Flüchtlingen befragen, die auf ihrem Weg in die Freiheit unter ungeheuer brutalen Bedingungen gelitten haben, könnte man zu dem Schluss gelangen, dass sie zu den zehn zähesten ethnischen Gruppen der Welt gehören. Wenn wir dann jedoch die verheerende Tatsache erfahren, dass wir mit weniger als einem Prozent derer sprechen, die sich ursprünglich auf den Weg

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