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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Greene
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null. Die Null ist für Theoretiker eine Lieblingszahl, denn es gibt ein bewährtes Mittel, wie sie aus Berechnungen herauskommen kann: die Symmetrie. Stellen wir uns beispielsweise vor, Alfred Tetzlaff habe sich in einen Erwachsenenbildungskurs eingeschrieben und muss als Hausaufgabe die 63. Potenzen der ersten zehn positiven Zahlen addieren: 1 63 + 2 63 + 3 63 + 4 63 + 5 63 + 6 63 + 7 63 + 8 63 + 9 63 + 10 63 . Dazu soll er außerdem die Summe der 63. Potenzen der ersten zehn negativen Zahlen addieren, also ( – 1) 63 + ( – 2) 63 + ( – 3) 63 + ( – 4) 63 + ( – 5) 63 + ( – 6) 63 + ( – 7) 63 + ( – 8) 63 + ( – 9) 63 + ( – 10) 63 . Wie lautet das Endergebnis? Während er mühsam rechnet, immer frustrierter wird, Zahlen mit mehr als fünf Dutzend Stellen multipliziert und dann addiert, greift Else ein: »Denk doch einfach an die Symmetrie, Alfred!« »Hä?« Damit meint sie, dass es zu jedem Ausdruck in der ersten Reihe einen symmetrischen Ausdruck in der zweiten als Gegengewicht gibt: 1 63 und ( – 1) 63 summieren sich zu 0 (eine negative Zahl, die zu einer ungeraden Potenz erhoben wird, bleibt negativ); 2 63 und ( – 2) 63 summieren sich zu 0 und so weiter. Die Symmetrie zwischen den Ausdrücken führt dazu, dass sie sich alle paarweise aufheben, als wären sie Kinder mit gleichem Gewicht, die auf den beiden Seiten einer Wippe sitzen. Rechnen muss man dazu überhaupt nicht. Edith hat direkt gezeigt, dass das Endergebnis null lautet.
    Viele Physiker glaubten – oder eigentlich sollte ich sagen: hofften –, ein ähnlich vollständiges gegenseitiges Aufheben, das auf eine bisher unerkannte Symmetrie in den Gesetzen der Physik zurückzuführen sei, werde auch die Berechnung der in Quantenfluktuationen enthaltenen Energie retten. Man nahm an, die gewaltige Energie aus den Quantenfluktuationen werde durch einen bisher nicht bekannten, ebenso großen Gegenbeitrag ausgeglichen, wenn man die physikalischen Gesetzmäßigkeiten erst hinreichend erkannt hat. Es war die einzige Strategie, die den Physikern einfiel, als sie die unplausiblen Ergebnisse der groben Berechnungen wegerklären wollten. Und aus diesem Grund gelangten
viele Theoretiker zu dem Schluss, die kosmologische Konstante müsse exakt null sein.
    Ein konkretes Beispiel, wie dies funktionieren kann, bietet die Supersymmetrie. Wie in Kapitel 4 ( Tabelle 4.1 ) erwähnt wurde, gehört zur Supersymmetrie eine Paarung von Teilchenspezies und damit auch der zugehörigen Arten von Feldern: Elektronen bilden zusammen mit einer Teilchenspezies, die als supersymmetrische Elektronen oder kurz Selektronen bezeichnet werden, ein Paar; Quarks mit Squarks, Neutrinos mit Sneutrinos, und so weiter. Alle diese »Superpartner« sind derzeit nur hypothetischer Natur, aber das könnte sich in den nächsten Jahren durch Experimente mit dem Teilchenbeschleuniger LHC ändern. Eine faszinierende Tatsache kam bereits ans Licht, als Theoretiker mit mathematischen Methoden die Quantenfluktuationen untersuchten, die sich mit den paarweise auftretenden Feldern verbinden. Zu jeder Fluktuation des ersten Feldes gibt es eine entsprechende Fluktuation des Partners, welche die gleiche Größe, aber das umgekehrte Vorzeichen hat, ganz ähnlich wie in Alfreds Mathematik-Hausaufgabe. Und genau wie in diesem Beispiel heben sich die Beiträge, wenn man sie Paar für Paar zusammenzählt, gegenseitig auf; das Endergebnis lautet null. 12
    Allerdings hat die Sache einen großen Haken: Zu der totalen Aufhebung kommt es nur dann, wenn beide Mitglieder eines Paares nicht nur die gleiche elektrische und nukleare Ladung haben (was der Fall ist), sondern auch die gleiche Masse. Das jedoch schließen die experimentellen Befunde aus. Selbst wenn die Natur sich der Supersymmetrie bedient, zeigen die Daten, dass sie in ihrer leistungsfähigsten Form nicht verwirklicht sein kann. Die bisher unbekannten Teilchen (Selektronen, Squarks, Sneutrinos und so weiter) müssen wesentlich schwerer sein als ihre bekannten Entsprechungen – nur dann lässt sich erklären, warum man sie in Experimenten mit Teilchenbeschleunigern bisher nicht gefunden hat. Bezieht man aber die unterschiedlichen Massen der Teilchen in die Berechnungen ein, wird die Symmetrie gestört, die Bilanz ist nicht mehr ausgeglichen, und die Neutralisierung ist nicht vollkommen, was bedeutet: Man gelangt wieder zu einem riesengroßen Resultat.
    Im Laufe der Jahre wurden viele analoge Vorschläge unterbreitet, die ein ganzes Spektrum

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