Die Verborgenen
stellvertretende Polizeichef Sean Robertson leitete die Sondereinheit. Er war der zweithöchste Beamte des gesamten SFPD . Bryan mochte ihn. Robertson legte die Vorschriften zwar ziemlich streng aus, doch er war fair und trat trotz seiner großen Macht einigermaßen unprätentiös auf. Jeder wusste, dass Robertson als zukünftiger Polizeichef gehandelt wurde. Chief Zou war Ende fünfzig. Noch etwa sechs Jahre, dann würde Robertson wahrscheinlich das gesamte Department übernehmen.
All diese Gesichter hatte Bryan schon zuvor gesehen. Heute war jedoch noch eine weitere Person anwesend – ein Mann in einem Dreiteiler, der mit Robertson sprach. Bryan stieß Pookie leicht mit dem Ellbogen an.
»Pooks, sieh dir diesen Anzugträger an. Vom FBI?«
Pookie sah hin und nickte. »Ja. Aber ganz sicher nicht im direkten Einsatz. Der Typ sieht aus, als ob er Steuernummern furzt. Entschuldige mich für einen Augenblick, Bri-Bri. Daddy muss sich um seine nächste Verabredung kümmern.«
Pookie setzte sein strahlendstes Lächeln auf und beugte sich zu Wills hinab, der einzigen Frau im Raum. Sie nutzte die letzten Augenblicke vor Beginn der Besprechung, um ihren Notizblock durchzugehen.
»Jen-Jen«, sagte Pookie. »Stilsicher wie immer. Ist dieses Outfit neu?«
Sie machte sich nicht die Mühe aufzusehen. »Ich bin nicht Ihr Typ, Chang. Aber Sie haben ein gutes Auge. Es ist tatsächlich neu.«
»Ganz zweifellos. Denn ich hätte es gewiss nicht vergessen, wenn Sie etwas so Ansprechendes schon einmal getragen hätten. Die Schuhe unterstreichen das Ganze übrigens ganz ausgezeichnet. Doch was meinen Sie damit – Sie seien nicht mein Typ?«
Jetzt sah Jennifer auf. Sie strich sich das blonde Haar aus dem Gesicht. Dann hob sie die linke Hand und wackelte mit den Fingern. »Kein Ring. Auf der Straße erzählt man sich, dass die Damen Ihnen nur gefallen, wenn sie verheiratet sind.«
Pookie lehnte sich zurück und legte die Hand auf die Brust. »Stellvertretende Bezirksstaatsanwältin Wills, ich bin verletzt und schockiert über Ihre Andeutung, ich würde der Untreue Vorschub leisten.«
Sie beugte sich wieder über ihren Block. Pookie ging zu Bryan zurück.
»Das lief ja wunderbar«, sagte Bryan.
»Sexuelle Spannung«, sagte Pookie. »Ein wesentlicher Bestandteil jeder guten Cop-Serie.« Er tippte sich an die Stirn. »Das kommt alles in die Schatzkammer hier oben und fließt irgendwann in meine brillanten Drehbücher ein.«
Stephen Boyd trat zu Bryan und Pookie. In der linken Hand hatte er eine Tasse Kaffee, mit der rechten kratzte er sich die Eier. Während Polyester-Richs bleistiftdünne Haarpracht über der Oberlippe so aussah, als gehörte sie in das Gesicht eines Filmschurken aus den Fünfzigerjahren, war Boyds Walrossschnauzer so dick, dass man seinen Mund kaum sah, wenn er sprach.
»Clauser, Chang«, sagte Boyd und deutete mit dem Kopf auf den FBI-Beamten. »Angeblich hat uns dieser Klugscheißer einen Hinweis auf den Hitter geliefert.«
Pookie seufzte. »Den Hitter? Mann, hast du dir gestern wieder den Gangsterfilm-Marathon auf AMC angeschaut?«
»Den verpasse ich nie«, sagte Boyd. »Ich hoffe nur, dass der Kerl wirklich etwas hat. Wir haben uns schon sämtliche Kunden von Ablamowicz vorgenommen, aber dabei kam absolut nichts raus.«
Robertson klatschte dreimal in die Hände, um die allgemeine Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Fangen wir an«, sagte er. Robertsons dichtes braunes Haar begann seit Kurzem, an den Schlä fen grau zu werden – eine Farbe, die zu seiner Brille passte. Er wirkte immer ein wenig zerknittert: nicht schlampig und nicht zu glatt. Seine hellblaue Krawatte und sein dunkelblaues Hemd mit Button-down-Kragen konnten seinen wachsenden Bauch nicht verbergen. Das kam dabei raus, wenn man immer nur hinterm Schreibtisch saß.
»Sehen wir zu, dass wir die Sache hinter uns bringen und alle wieder raus auf die Straße kommen«, sagte er. »Ich möchte Ihnen Agent Tony Tryon vom FBI vorstellen.«
Der Mann im Dreiteiler lächelte. »Guten Morgen. Ich bin hier, weil ich die letzten fünf Jahre damit verbracht habe, Frank Lanza im Auge zu behalten.«
Boyd fing an zu lachen. » Lanza? Wie in ›Die Mafia-Lanzas aus tiefster Vergangenheit‹?«
Der FBI-Agent nickte.
Chris Kearney verschränkte die Arme vor der von einem Pullunder bedeckten Brust und starrte den FBI-Agenten an. Bryan fragte sich, ob Kearney dem Mann misstraute oder einfach nur neidisch auf dessen Anzug war.
»Die Mafia war hier nicht mehr
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