Die Verborgenen
verschwand fast ebenso rasch, wie er aufgetaucht war.
Sie duckten sich unter der Polizeiabsperrung hindurch. Die Uniformierten lächelten Pookie zu und begrüßten Bryan mit einem Nicken. Pookie winkte allen und nannte sie bei ihren Namen. Bryan kannte ihre Gesichter, doch die Namen fielen ihm so gut wie nie ein.
Sie betraten das Gebäude, fanden das Treppenhaus und gingen nach oben. Kurz darauf erreichten Pookie und Bryan das flache graue Dach. Eine morgendliche Brise traf sie von hinten und bauschte für einen Augenblick ihre Kleider. Rich Verde und Bobby »Vogelmann« Pigeon standen in der Nähe der Leiche.
Glücklicherweise war der Gerichtsmediziner keine scharfe kleine Asiatin, die ihr Haar zu einem straffen Knoten gebunden trug. Es war ein silberhaariger Mann, der sich mit der steifen Langsamkeit des fortgeschrittenen Alters bewegte. Er war in die Hocke gegangen und betrachtete ein Detail an der Leiche.
Ein helles Dach verträgt sich nicht besonders harmonisch mit Blutspritzern. Lange braune Linien und Streifen zogen sich über die graue Farbe, die schlampig und ungleichmäßig aufgetragen worden war. Das Ergebnis sah aus wie ein von Jackson Pollock geschaffenes Gemälde aus Tod und Schmutz.
Die Leiche lag in einer verdrehten und unnatürlichen Position auf dem Dach. Beide Beine des Verstorbenen waren gebrochen, sowohl die Oberschenkelknochen als auch die Schienbeine.
»Wow«, sagte Bryan. »Da war jemand wirklich sauer auf den Typ.«
Pookie setzte seine Pilotensonnenbrille auf und strich sich das schwarze Haar zurück. Er hatte sich das angewöhnt, seit er seine Serienbibel zu schreiben begonnen hatte. Zwar hatte Hollywood noch nicht angerufen, doch Pookie Chang wollte vorbereitet sein, wenn es so weit war.
»Sauer auf jemanden, der Kinder vergewaltigt hat?«, sagte er. »Ehrlich gesagt sehe ich da keine Verbindung, Bri-Bri. Außerdem frage ich mich, was unter der Plane ist.« Pookie deutete auf etwas rechts neben der Leiche. In der morgendlichen Brise wölbte sich eine blaue Polizeiplane, deren Ecken man mit Klebeband auf dem Dach befestigt hatte. Die Plane lag so flach auf, dass sich darunter keine weitere Leiche und auch keine einzelnen Körperteile befinden konnten.
Einige der Streifen aus getrocknetem braunem Blut führten unter die blaue Abdeckung. Der Wind zerrte an einer Ecke der Plane und hob sie ein wenig an. Wie bei einer Schleiertänzerin konnte Bryan nur einen kurzen Blick auf das werfen, was eigentlich verhüllt bleiben sollte. War es irgendeine Art Zeichnung?
»Hey«, sagte Pookie, »der Gerichtsmediziner. Ist das nicht der alte Metz?«
Bryan nickte, kaum dass Pookie den Namen ausgesprochen hatte. »Genau. Der Silberadler. Ich habe ihn schon seit fünf Jahren nicht mehr außerhalb seines Büros gesehen.«
»Das kotzt mich echt an«, sagte Pookie. »Ich meine, mehr als sowieso schon alles. Hast du gewusst, dass Metz Berater beim Neustart von Dirty Harry war? Metz kennt Typen aus Hollywood, und Verde darf mit ihm zusammenarbeiten. Verde ist ein Schweineficker.«
Metz trug eine blaue Uniformjacke mit goldenen Stickereien an den Ärmeln und zwei Reihen polierter Messingknöpfe auf der Brust. Die meisten Leute aus dem Büro des Gerichtsmediziners trugen einfache Windjacken, wenn sie eine Leiche abholten, doch Metz nicht. Er bevorzugte noch immer dieselbe förmliche Kleidung, die vor langer Zeit in seiner Abteilung Vorschrift gewesen war.
Metz war seit dreißig Jahren Leiter der Gerichtsmedizin und eine Legende bei der Polizei. Wenn er einen Gerichtssaal betrat, zitterten Ankläger wie Verteidiger. Bei seinen Befragungen ließ er die Anwälte häufig wie Idioten aussehen. Er hatte Lehrbücher verfasst und einige der weltbesten Autoren beraten, die über Kriminalfälle schrieben. Es gab jedoch auch etwas, das er nicht mehr tat: Er arbeitete nicht mehr direkt am Tatort. Er ging auf die siebzig zu. Selbst die Großen haben ihre Grenzen.
»Das macht mich absolut fertig«, sagte Pookie. »Hast du Metz jemals im Gericht gesehen? Er ist so wahnsinnig cool. Und er ist der Einzige, der einen noch besseren Spitznamen hat als du.«
Einige Leute in seiner Abteilung nannten Bryan den Terminator . »Ich bin halb so breit wie Schwarzenegger, und ich sehe ihm überhaupt nicht ähnlich.«
»Es geht nicht ums Aussehen, Schwachkopf. Es geht darum, dass du Leute umbringst«, sagte Pookie. »Und darum, dass du anderen gegenüber die emotionale Reaktion einer aufgebrauchten Duracell-Batterie zeigst. Sei
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