Die verbotene Geliebte des Scheichs
sich. Mit den Jahren mutierte es vor ihrem inneren Auge von freundlich zu charismatisch, stolz oder sogar hochmütig.
Bestimmt trog die Erinnerung! Immerhin war sie erst zwölf gewesen …
„Ich will, dass du gleich mit mir nach Hause kommst“, hatte der unumstößliche Befehl ihres Vaters gelautet. „Du hast einen Tag Zeit, um dich von deinen Freunden zu verabschieden und deine Sachen zu packen.“
„Nur einen Tag?“
Der König nickte knapp. „Ich will dich zu Hause haben, wo du hingehörst.“
„Aber wenn die Heirat doch erst im nächsten Mai …“
„Deine Anwesenheit in unserem Land ist jetzt vonnöten, Kalila!“
Seine angespannte Stimme verriet ihr, dass der Geduldsfaden ihres Vaters kurz vorm Zerrreißen war, deshalb biss sie sich auf die Lippen und schluckte herunter, was sie an Argumenten hatte anführen wollen, um ihren Aufenthalt in England vielleicht doch noch ausdehnen zu können.
„Die Bevölkerung muss dich in deiner Heimat sehen. Du warst fast vier Jahre weg, das ist eine lange Zeit. Zu lange …“, fügte er gepresst hinzu.
Während Kalila an jenem Abend ihre Koffer packte, geisterten die abenteuerlichsten Ideen durch ihren Kopf. Was, wenn sie sich ihrem Vater widersetzen und einfach davonlaufen würde, um ihr Leben in Freiheit weiter zu genießen? Sich ihren eigenen Lebensraum zu wählen … einen Ehemann oder Liebhaber nach ihren Vorstellungen zu suchen?
Doch noch während ihr Herz angesichts der wilden Pläne wie verrückt klopfte, verwarf Kalila sie bereits wieder. Wohin sollte sie gehen? Sie hatte kein Geld, und außerdem spürte sie fast gegen ihren Willen, wie sehr sie sich, trotz Freiheitsdrang, innerlich verbunden fühlte mit dem Land, in dem sie aufgewachsen war.
Zaraqs Wohlergehen war untrennbar mit Calista verwoben. Und die Vorstellung, aus selbstsüchtigen Gründen die Zukunft ihres Volkes zu gefährden, würde sie niemals Ruhe finden lassen, und wenn sie bis ans Ende der Welt fliehen würde, dessen war sich Kalila gewiss.
Also flog sie folgsam mit ihrem Vater im königlichen Privatjet zurück in ihre Heimat und versuchte, sich so gut wie möglich wieder in das Palastleben einzufinden. Sie lebte von einem Tag zum anderen, hielt ihre Geschichtsstudien anfangs sogar noch aufrecht, doch allmählich schwand jede Initiative und machte einer tiefen Depression Platz.
Trotzdem bemühte Kalila sich, ihren sozialen und repräsentativen Aufgaben als Prinzessin gerecht zu werden. Sie besuchte Waisenhäuser und Kinderkrankenstationen, schüttelte Hunderte von Händen, schnitt lächelnd Satinbänder bei Einweihungen durch und genoss teilweise sogar die Begegnungen mit ihren Landsleuten.
Klaglos nahm sie ihre Pflichten wahr und lebte ihrer Bestimmung gemäß …
Nur, wenn sie jetzt in den Spiegel schaute, konnte sie nicht umhin, sich zu wünschen, ihre Bestimmung und ihr Schicksal wären anderer Art. Sie war zwar in dieses Leben hineingeboren und dazu erzogen worden, aber sollte das wirklich schon alles sein? Sie wollte mehr … viel mehr!
„Prinzessin …?“, brachte sich Juhanah ihrem Schützling in Erinnerung. „Gefällst du dir?“
Nur mit Mühe widerstand Kalila dem Drang, sich den hijab vom Kopf zu reißen. Sie war bisher noch nie verschleiert gewesen. Ihre Mutter, die grundsätzlich westliche Kleidung getragen hatte, weigerte sich, es zu tun und setzte dieses Recht auch für ihre Tochter durch. Ihr einziges Zugeständnis an die alte Tradition war ein Stückchen kostbarer Spitze gewesen, das sie bei öf fentlichen Anlässen auf ihrem glänzenden Haar feststeckte.
Ihr Vater hatte dagegen keinen Einwand erhoben, da er seine englische Rose , wie er seine Gattin nannte, bewusst geheiratet hatte, um eine Annäherung zum Westen zu demonstrieren, wovon er sich wirtschaftliche Vorteile versprach.
Und von seiner Tochter verlangt er, sich wie eine Haremsdame herauszuputzen! meuterte Kalila innerlich und verspürte einen bitteren Geschmack im Mund.
„Wunderschön …“, flüsterte Juhanah mangels einer Reaktion von ihrer Seite ergriffen und tätschelte die eiskalte Hand der Braut. Kalila entzog sie ihr so unauffällig wie möglich und gab vor, die schimmernden Falten ihres Kaftans ordnen zu wollen. Dabei verhakte sie sich mit dem Fingernagel hinter einer Goldlitze.
„Na!“, schimpfte Juhanah und gab ihr einen Klaps auf die Finger.
Doch noch ehe sie weiterreden konnte, klopfte es an der Schlafzimmertür. Und während die treue Dienerin davoneilte, um zu öffnen, hielt
Weitere Kostenlose Bücher