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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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her – das Leben in Tajumeer hatte etwas Traumhaftes und Unwirkliches. Während der drei Tage, die sie bereits auf den Verhandlungspartner warteten, hatte Tobbs nicht viel mehr getan, als lange ausgedehnte Strandwanderungen zu unternehmen und Wanja dabei zu beobachten, wie sie im Meer schwamm und mit einer tajumeerischen Harpune armlange Seidenfische für das Abendessen jagte. Sie schwamm erstaunlich gut, und ihre Haut nahm schnell eine bronzefarbene Tönung an, die sie bald schon wie eine echte Tajumeerin aussehen ließ.
    Tobbs dagegen wurde nur krebsrot, seine Nase schälte sich und dem Wasser blieb er respektvoll fern. Stattdessen sammelte er Muscheln – erstaunlich filigrane Gebilde, die wie Kunstwerke eines sehr sensiblen Schmuckmachers wirkten. Wie sie wohl in Anguanas Haar aussehen würden?
    »Woher kannst du so gut schwimmen?«, fragte er, als Wanja wieder einmal mit einem Bündel Fische beladen aus den azurblauen Fluten stieg.
    »Man sagt, meine Großmutter väterlicherseits wäre eine Meerfrau gewesen«, gab Wanja zurück. »Aber in Rusanien erzählt man viel, wenn der Tag lang ist.«
    Kein Zweifel: Wanjas düstere Laune hatte sich in den vergangenen Tagen um keinen Deut gebessert.
    Baba Jaga hielt sich nun meistens in der Nähe der Hütte auf. Geschäftig sammelte sie Muscheln und Blütenschalen und hängte Trockenfisch an den Wäscheleinen auf. Und irgendwo in einem Keller, den es gar nicht geben dürfte, brodelte etwas, was scharf und süß zugleich roch.
    Tobbs selbst lernte einiges über die Zeit: Obwohl er durch den Verfluchte-Insel-Faktor kaum Zeit verlor – in der Taverne war seit ihrer Ankunft nur wenig davon vergangen – kam ihm die schneller laufende Zeit vor wie eine Ewigkeit. Auch der schönste Sonnenaufgang wurde zu etwas Selbstverständlichem, und Sandstrände waren – nun, eben Sandstrände. Noch nie hatte er sich einsamer und ratloser gefühlt. Seine Gedanken kreisten ununterbrochen um den Schatz, doch Wanja ließ kein einziges Wort darüber verlauten. Tobbs versuchte es sogar bei den Barrakuda-Schädeln, aber die machten sich einen Spaß daraus, ihn in die Irre zu führen. Vielleicht wussten sie es aber auch einfach nicht besser.
    Nach einer Weile gewöhnte Tobbs es sich an, im Schatten unter einem der Sternblattbäume zu sitzen und das Meer zu betrachten. Ab und zu tauchte weit draußen eine Flosse oder die Finne eines großen Fisches auf. In den Minuten, in denen der Abendhimmel sich verdunkelte, wurde das Meer so transparent wie Glas, und Tobbs konnte die flachen schwarzen Wesen sehen, die über den Sandboden huschten. Wanja nannte sie Rochen und hatte Tobbs schon am Tag ihrer Ankunft vor ihrem Gift gewarnt. Tobbs fand, sie sahen aus wie große Decken, die im Wasser trieben.
    Auch jetzt bewegten sie sich vor ihm, und wie jeden Abend begann Tobbs die seltsamen Meeresbewohner zu zählen. Bei vierundzwanzig hielt er inne. Einer der Rochen glitt genau auf den Strand zu. Genauer gesagt direkt auf Tobbs!
    Tobbs stand auf und wich zurück. Der Rochen hielt immer noch Kurs auf ihn – jetzt war er schon im flachen Wasser! Schwarze, glatte Haut wurde sichtbar, als der platte Fisch mit einer sanften Welle auf den Sandstrand getragen wurde. Tobbs erwartete, dass der Rochen nun panisch um sich schlagen würde, doch stattdessen kroch das Ding auf ihn zu! Wie die Flügel einer gewaltigen Unterwasser-Fledermaus flappten die riesigen Flossen auf den Sand. Und Tobbs war sich ganz sicher, dass dieses Ding ächzte.
    Er wollte zur Seite ausweichen, doch die Neugier nagelte ihn auf der Stelle fest.
    »Mememamion«, ächzte das Wesen. Dann krümmte es sich plötzlich. Unter den Flossen erschienen sehnige Hände, das ganze Tier schien sich zu ballen und in die Höhe zu wachsen. Tobbs blinzelte ungläubig und erkannte einen Mann, der sich ganz selbstverständlich aus dem Rochen schälte. Es war ein sehniger Insulaner mit blauschwarzer Haut und Glatze. Er schnappte immer noch nach Luft wie ein Fisch. Vorsichtig streckte er sich und schüttelte den Sand vom Körper, bevor er auf Tobbs zuging.
    »Delegation?«, fragte er anstelle einer Begrüßung. »Bist du das Empfangskomitee?«
    »Kommt darauf an, wer dich schickt«, gab Tobbs zurück.
    Der Mann lachte und ließ eine Reihe erstaunlich spitzer Zähne sehen. Zähne, wie kein Rochen sie hatte. Dann deutete er mit dem Daumen über die Schulter.
    »Eure letzte Rettung«, meinte er trocken. »Und ich hoffe, ihr habt genug Betuma bereitgestellt. Maui

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