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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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nicht ununterbrochen fürchten.
    Wasserschildkröten glitten neben dem Floß vorbei und bestaunten sie, eine gelb-rote Seeschlange ringelte sich vor dem Bug, bevor sie wieder irgendwo in der Tiefe verschwand. Und Tobbs dachte bei jedem einzelnen Paddelzug daran, wie sehr er dieses tiefe Wasser verabscheute. Sollte er jemals wieder aus Tajumeer nach Hause kommen, würde er sich sogar von Dopoulos’ Karpfenteich auf der Apfelwiese fernhalten.
    Die Sonne stand schon hoch, als in der Ferne der schimmernde Strand auftauchte. Anguana und Tobbs nahmen die Paddel aus dem Wasser und betrachteten stumm das Atoll.
    »Das ist es?«, flüsterte Anguana nach einer Weile. Tobbs nickte nur. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    »Und jetzt?«, fragte Anguana trocken.
    Tobbs schirmte die Augen mit der Hand ab und suchte den Strandabschnitt, wo Mauis Boot geankert hatte.
    »Da drüben, in der Linie, die zu dem schiefen Sternblattbaum führt – da findest du eine rot-weiße Koralle, die wie eine Tänzerin geformt ist. Darunter, sehr weit unten, muss es einen Durchgang in die Lagune geben. Und in der Lagune liegt die Truhe versteckt, in der sich ein Stück Leder oder so etwas Ähnliches befindet. Vielleicht eine Karte. Das ist der Schatz, den die Domaner unbedingt haben wollen.«
    »Wie tief?«
    Tobbs musste passen und Anguana wurde noch etwas blasser unter ihrem Sonnenbrand.
    »Ich sehe schon, du weißt ja wirklich bestens Bescheid«, meinte sie ironisch. »Und weiter?«
    Stockend begann Tobbs seinen Plan zu erläutern. Als er ihn sich ausgedacht hatte, hatte er logischer geklungen. Anguana hörte mit gerunzelter Stirn zu.
    »Verstehe«, sagte sie dann. Doch sehr überzeugt klang sie nicht. »Ich gebe dir eine Schnur mit. Wenn du zweimal daran zupfst, weiß ich, dass die Luft rein ist. Klar?«
    Tobbs nickte beklommen.
    Sie drückte ihm ein winziges Knäuel mit blauem Faden in die Hand. Es war seidenweich und so leicht, dass er das Gewicht kaum spürte. Das würde die einzige Verbindung zwischen ihnen sein. Keine beruhigende Vorstellung, seine Freundin in die Tiefe tauchen zu lassen.
    »Und die Haie werden sich nicht im Garn verheddern?«
    »Schon vergessen, dass mein Garn für die anderen gar nicht vorhanden ist?«, entgegnete Anguana. »Nur Wanja und Dopoulos könnten es wahrnehmen.«
    Entschlossen griff das Ziegenmädchen in ein Gewirr von Seilen, das neben ihrem Ziegenfuß auf dem Floß lag, und zog einen eisernen Haken und ein flaches Messer hervor, dessen Klinge an der Spitze abgebrochen war. Dann atmete sie noch einmal tief durch und blickte Tobbs verzagt an.
    »Drehst du dich um?«, fragte sie mit einem Anflug ihrer alten Schüchternheit.
    Tobbs sah sie verblüfft an, doch schließlich gehorchte er. Hinter sich hörte er ein Rascheln.
    »Anguana«, sagte er leise, »sei vorsichtig! Viel Glück – und … danke, dass du mir hilfst!«
    Sie gab ihm keine Antwort. Gerade wollte er ihr sagen, dass es ihm leidtat, dass er sich nie mit ihr streiten wollte, dass er Angst um sie hatte, mehr noch als um Wanja und um sich selbst, als er schon das Garn durch seine Finger gleiten fühlte. Hastig drehte er sich um und sah, dass nur noch Anguanas Kleid auf dem Floß lag.
    Die Hundehaie kannten ihn offenbar schon, denn sie drehten gelangweilt ab, als Tobbs die Riffkante erreichte und das Floß an der rot-weißen Koralle festmachte. Irgendwo da draußen wartete Anguana auf sein Zeichen. Vorsichtig knotete er das hellblaue Garn um sein Handgelenk und watete durch das Wasser zum Atoll.
    Niemand war dort. Zwei Sternblattbäume waren umgeknickt und halb unter einem Wall aus Sand verborgen lagen die Reste von Janus’ Tür. Einige rote Fetzen zeugten noch von einem heftigen Kampf. Kein Haigott weit und breit.
    »Mako?«
    Ein Platschen antwortete ihm, doch als er herumfuhr, sah er nur ein Schimmern hellen Wassers. Langsam schlenderte er am Strand entlang. Der Faden hing locker an seinem Handgelenk, zog im Takt der Wellen sanft an und ließ wieder nach.
    Tobbs hob eine große Muschel auf und ging zur Lagune. Das helle Türkis blendete ihn. Er zielte sorgfältig auf den dunklen Mittelpunkt und schleuderte die Muschel ins Wasser. Eine kleine Fontäne spritzte hoch.
    Tobbs war noch dabei, zuzusehen, wie die letzten Tropfen auf die Wasserfläche zurückfielen, als sich der Himmel vor ihm verdunkelte. Ein Körper schnellte aus dem Wasser, und bevor Tobbs auch nur zwinkern konnte, lag er rücklings im Sand, halb begraben unter einem Fischkörper, der eine

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