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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Tritt wehrte der Krieger sich nicht. Erst als Tobbs sich mit geballten Fäusten auf ihn stürzte, sprang er auf die Beine und streckte die Arme vor, um sein Gesicht zu schützen.
    »Dokka itte! Sotto shite oite!«, schrie er mit heiserer, tiefer Stimme. Es klang wie ein Knurren und Grollen, offenbar war er sehr aufgebracht. »Doushita no? Omaetachi wa sonna kemono ni narete hokori ka?« Wortreich und mit vielen Gesten erklärte er in einer Pantomime, wie er auf eine Insel verschleppt und gefesselt worden war. Wie er sich gerade so retten konnte, wie er im Wasser geschwommen war, halb wahnsinnig vor Angst, dass die Haie schneller sein würden. Die seltsamen Laute, die dieses Schauspiel begleiteten, klangen wütend und verzweifelt zugleich. Tobbs ließ seine Fäuste sinken.
    Eine Weile standen sie sich gegenüber und starrten einander nur an.
    Schließlich begann der Krieger zu schwanken und musste sich gegen den Baum lehnen. Unglücklich betrachtete er Tobbs’ Tatau. Er sah aus, als hätte er die Nase gründlich voll von Tajumeer. Und Tobbs entdeckte in diesem Augenblick, dass man auch mit einem Feind so einiges gemeinsam haben konnte.
    Verwirrt ließ er sich auf dem harten Boden nieder. Der Krieger betrachtete ihn misstrauisch, dann folgte er seinem Beispiel.
    »Wie heißt du?«, fragte Tobbs und deutete auf die Brust des jungen Mannes. Ein verständnisloses Stirnrunzeln war die Antwort.
    »Wie du heißt!«, blaffte Tobbs ihn an. »Oder habt ihr in Doman keine Namen? Heißt jeder bei euch ›Killer‹? Oder habt ihr Nummern? Wer? Bist? Du?«
    Jetzt schien ihn der Fremde zu verstehen, denn er nickte erschöpft.
    »Haruto«, knurrte er. Er blinzelte noch einmal, dann wurde er blass und kippte ohnmächtig zur Seite.
    Es wurde eine lange Nacht. Der Krieger hatte Fieber und redete Unsinn – jedenfalls soweit Tobbs das beurteilen konnte. Manchmal bellte und jaulte er im Halbschlaf, bis er wieder jäh hochschreckte und Tobbs’ mondbeschienenes Gesicht anstarrte, als wäre es die Fratze einer Todesfee. Tobbs hatte ihm von seinem Wasser gegeben und hoffte, es würde ihn nie jemand danach fragen, wie er dazu kam, einem von Wanjas mutmaßlichen Mördern das Leben zu retten. Die Situation konnte nicht verrückter sein. Das Verrückteste daran war vermutlich die Tatsache, dass er auf eine seltsame Art froh war, nicht allein zu sein. Und als Haruto nach einigen Stunden aus einem unruhigen Schlaf hochfuhr und sich aufsetzte, war Tobbs sogar erleichtert, dass es ihm besser ging.
    Unheimliche Geräusche hallten über das Meer. Mehrmals glaubte Tobbs das Scharren von Insektenbeinen zu hören und sah ein seltsames Glitzern im Wasser. Wurden sie von Hunderten Augenpaaren beobachtet oder lauerte ein Schwarm giftiger Meerestiere ihnen auf? Einer der optimistischeren Hundehaie schwamm offenbar Patrouille um die Insel und prüfte von Zeit zu Zeit, ob nicht doch jemand im Schlaf von der Insel rollte. Zitternd drängten sich Tobbs und der Mann, der Haruto hieß, enger aneinander. In stummem Einverständnis saßen sie da und schlossen den wortlosen Pakt, sich beizustehen. Gegen Morgen ertappte sich Tobbs dabei, dass er sich nicht nur unendlich viele Sorgen um Anguana machte, sondern auch darüber nachdachte, was Maui mit dem Gefangenen machen würde. Würde der Vermittler ihn an Mako und die anderen Götter ausliefern?

DAS RÄTSEL
    Wieder träumte er von saftigen Wiesen und dem fliehenden Eichhörnchen. Die Herbstblätter waren nass und der Boden federte beruhigend weich unter ihm. Das war Doman, wie er es in dem kurzen Augenblick durch Janus’ Tür gesehen hatte. Doch heute jagte er nicht allein. Neben ihm hetzte ein hundeartiges Raubtier. Als er den Kopf wandte, sah er grauschwarzes Fell und braune Augen. Er hörte das Knurren, das aus der Kehle seines Begleiters kam.
    Das Knurren hörte er noch, als er erwachte und in den überwältigenden Sonnenaufgang blickte.
    »Kore o mite, kame da«, sagte Haruto leise und deutete auf eine Wasserschildkröte, die sich auf die Insel schleppte. Gleichzeitig schob sich ein Boot ins Bild. Das heißt, es war kein Boot, es war ein Wrack, ein Floß, zusammengeschnürt aus Trümmerholz. Blaue Fäden verbanden die Holzstücke.
    Tobbs sprang auf und hätte am liebsten getanzt und gelacht.
    »Anguana!«
    Das Mädchen blickte zu ihm hoch und begann zu strahlen. Sie hatte einen fürchterlichen Sonnenbrand auf Nase und Wangen, aber ihre Augen blitzten. Mit einem Satz war sie vom Floß gesprungen und stürzte

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