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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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davongespült, die auch Tobbs um ein Haar vom Wagen geschwemmt hätte. Von einer Sekunde auf die andere war er völlig durchnässt. Nur Anguanas eisenharter Griff bewahrte ihn vor dem Absturz.
    »Mir nach!«, schrie sie. »Gleich bricht der Sitz!«
    Das musste sie Tobbs nicht zweimal sagen. Er spürte bereits, wie das Holz knirschte und nachgab. Er sprang in sein zweites Ich, ohne nachzudenken. Ein Knurren entrang sich seiner Kehle, unmenschlich flink stieß er sich von dem brechenden Holz ab und hechtete Anguana nach. Ein, zwei wackelige Schritte balancierte Tobbs auf dem schmalen Kutschsteg entlang, der zu den Pferden führte, dann machte er einen gewaltigen Satz und flog dem Ziegenmädchen hinterher.
    Im selben Augenblick, in dem er hinter ihr auf dem Pferderücken landete, donnerten sie mit den letzten schäbigen Resten der Kutsche über ein Schlagloch. Mit einem wehleidigen Krachen brach die Achse. Was einmal eine Kutsche gewesen war, verwandelte sich endgültig in einen armseligen Haufen Sperrmüll, der sich gleichmäßig auf der Straße verteilte. Nun rasten nur noch die Pferde Kopf an Kopf dahin.
    »Gleich haben wir es geschafft!«, rief die Dame und lachte. Ihr Gewand wallte über den Pferderücken. Voller Erstaunen sah Tobbs, dass auch sie auf eines der Kutschtiere gesprungen war. Und Anguana – seine sanfte, zurückhaltende, vernünftige Anguana – stieß einen markerschütternden Triumphschrei aus und gab dem Pferd, auf dem sie beide saßen, die Sporen. Tobbs hielt ihre Taille umklammert und spürte, wie das Mädchen lachte!
    Zähne schnappten in der Luft nach ihnen, die Klauen der Himmelhunde streckten sich nach ihnen aus, ohne sie zu fassen zu bekommen.
    Und auf einmal flutete ihnen gleißendes Licht entgegen. Als Tobbs die Augen wieder öffnete, sah er Hunderte von kleinen Glaslampen vorbeihuschen. Enttäuscht heulten die Himmelhunde auf und blieben hinter ihnen zurück.
    Dann verlor er das Gleichgewicht und fiel. Reflexartig drehte er sich in der Luft und kam mit einem ganz und gar nicht menschlich klingenden Jaulen auf dem Boden auf. Mehrmals überschlug er sich, rollte und schlitterte, bis ihn endlich ein Schlammwall bremste. Tobbs prallte mit voller Wucht gegen das Hindernis. Ein einzelnes Rad schlingerte an ihm vorbei wie ein erschöpfter Olympialäufer, der mit letzter Kraft über die Ziellinie torkelt.
    Tobbs lag einfach nur da und zählte seine Knochen. Die Nummerierung schien nicht mehr zu stimmen, ansonsten aber waren sie wohl vollzählig. Zum Glück war der Untergrund weich gewesen. Und das Allerwichtigste: Seine Axt und sein Fuchsfell waren noch da!
    Vorsichtig hob er den Kopf.
    »Anguana?«, flüsterte er und blinzelte in das Licht.
    Der Anblick, der sich ihm bot, verschlug ihm den Atem. Wohin er auch sah, standen und hingen Laternen und Lampions! Doch anstelle von Flammen flatterten darin leuchtende Insekten – Motten verströmten blassblaues Licht, prächtige Schmetterlinge glommen rosa und gelb. Glänzende Käfer strahlten so hell, dass sie Tobbs blendeten. Aus einer Laterne, die unter den Pferdehufen zerbrochen war, erhoben sich gerade sieben Monsterglühwürmchen von Meerschweinchengröße und flüchteten in den Nachthimmel.
    Nicht weit von den Trümmern der Laterne entfernt standen die beiden Pferde. Sie schnaubten wie nach einem Wettkampf, schüttelten die Köpfe, stiegen auf die Hinterbeine – und begannen sich zu verformen! Tobbs traute seinen Augen nicht: Die Hinterbeine wurden dicker, die Vorderbeine kürzer, die Nasen schrumpften, der Brustkorb wurde flacher und breiter. Und schließlich standen zwei martialisch aussehende Männer vor ihm – der gehörnte Kopfschmuck war zum Helm geworden, Kummet und Riemen zu einem schwarzen Lederpanzer, auf dem die farbigen Zeichnungen von Drachenköpfen prangten.
    »Tobbs, alles in Ordnung?« Anguana stürzte auf ihn zu. Ein erleichtertes Lächeln huschte über ihr Gesicht, als er nickte. Ihre Augen funkelten unternehmungslustig.
    »Wir sind direkt vor dem Stadttor!«, flüsterte sie ihm zu und zwinkerte. Und dann ließ sie ihn einfach liegen!
    Tobbs war viel zu verdattert, um ihr hinterherzurufen. Er beobachte nur, wie sie zu der Dame trat und sich anmutig vor ihr verbeugte.
    Das Gewand der Dame hatte nicht einmal einen Schlammspritzer abbekommen, kein Härchen war bei dem wilden Ritt aus der Frisur gerutscht. Anguana sah deutlich zerzauster aus, aber ihr Gesicht strahlte, als wäre sie ein Kind auf einem Rummelplatz, das soeben

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