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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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War es so zu sterben? Aber nein, sein Körper lebte, gerade blinzelte er.
    »Soll ich etwa auch dich …?«, fragte Tobbs.
    Mamsie Matatas Augen funkelten abenteuerlustig.
    »Um Himmels willen, nein! Diese Seelenwanderei ist nichts für mich. Mich nimmst du mit! Aber hüte dich davor, mich zu zerbrechen, bevor wir dieses unglückselige Yndalamor verlassen haben!«
    Sorgfältig zerschlug Tobbs mit dem Opfergefäß jeden Spiegel. Die Gesichter in den Spiegeln blickten ihn stumm an, doch als sie zersplitterten, hörte Tobbs erleichtertes Seufzen und spürte einen Hauch, der an seiner Wange entlangstrich und ihm die Haare zu Berge stehen ließ. Nach und nach fand er heraus, wie er die Spiegel zerschlagen musste, ohne dass Teile davon aus den Rahmen fielen. Die Scherben, die dennoch auf dem Boden landeten, versteckte er unter Kalis Altar und drehte die leeren Spiegel mit den zerstörten Spiegelflächen zur Wand.
    Zuletzt band er sich Mamsie Matata unter der Jacke auf den Rücken. Das zusätzliche Gewicht tat ihm nur gut. Er hoffte, niemand würde den seltsam eckigen Schnitt seiner Jacke bemerken.
    Plötzlich erklangen Schritte hinter der Spiegeltür. Gleich darauf traten die beiden Priester durch den Spiegel.
    »Wieso stehen die Spiegel an der Wand?«, rief der in grünes Tuch gehüllte Mann.
    Die Frau richtete ihren Blick sofort auf den Schweb-Eichenast. Tobbs begann zu schwitzen, aber die Täuschung funktionierte. Die Priesterin schien sich sowieso mehr für die Mäuse als für den Ast zu interessieren. Die Tiere kauerten völlig verstört neben der Milchschüssel.
    »Ich habe mich vorbereitet«, sagte Tobbs. »Dafür musste ich beten. Und dabei kann ich es nicht ertragen, vor einem Spiegel zu stehen. Das erinnert mich immer an meinen Fluch, ihr versteht?«
    Die Frau runzelte misstrauisch die Stirn. »Und zu deiner Vorbereitung gehört auch, dass du die heiligen Mäuse erschreckst?«
    »Ich hatte Hunger und habe sie nur ein bisschen … gejagt. Aber sie waren schneller.« Beim Anblick der entsetzten Priesterin lächelte er entschuldigend. »Ist bei uns Sitte. Schmeckt gut – Mäuse in Milch gestippt, hmmm!«
    Der Mann seufzte und schüttelte den Kopf. »Leute vom Land«, murrte er. »Keinen Respekt. Keinen Respekt.«
    Mit einer mürrischen Geste winkte er Tobbs zu sich heran. Tobbs bemühte sich, weder auffällig zu schlurfen noch zu hüpfen, und meisterte den Weg zum Spiegel, ohne weiter Verdacht zu erregen.
    »Jetzt die Augen schließen. Und dann einen großen Schritt!«, befahl ihm die Frau. Tobbs machte einen großen Schritt, aber natürlich blinzelte er. Helligkeit blendete ihn, dann stand er bereits außerhalb des Tempelraums. Lichtpünktchen tanzten vor seinen Augen. Vor ihm lag ein langer Gang ohne eine einzige Tür.
    »Wo gehen wir hin?«, fragte Tobbs zaghaft.
    »Ins fünfte Stockwerk«, sagte die Frau knapp.
    Das Gebäude, in dem sie sich befanden, schien unendlich hoch. Fasziniert bemerkte Tobbs, dass alle Räume um eine schachtartige Mitte herum gebaut waren. Um nach oben zu gelangen, mussten sie einer Wendeltreppe folgen, die sich um den Schacht herumwand. Überall hingen Spiegel. Tobbs hielt sie erst für Fenster, denn er sah Wolken vorbeiziehen und einen blauen Himmel. Dann verstand er, wie die Bilder zustande kamen: Die Spiegel waren schräg aufgehängt und fingen ein Bild ein, welches andere Spiegel, die höher im Schacht hingen, ihnen zuwarfen. Irgendwo auf dem Dach, schloss Tobbs, musste der Spiegel sein, der das Bild des Himmels einfing. Vor lauter Staunen vergaß er beinahe, was ihn dort oben eigentlich erwartete.
    Die beiden Priester keuchten, während sie sich Stufe für Stufe der zweiten Ebene näherten. Tobbs hingegen hätte beinahe schwerelos die Treppe hinaufspringen können, doch er besann sich und gab vor, ebenfalls müde zu werden. Im dritten Stock blieben seine Begleiter plötzlich stehen und winkten. Eine hölzerne Plattform senkte sich schaukelnd durch den Schacht zu ihnen herunter. »Da rauf!«, befahl der Priester. »Das ist der Aufzug.«
    Tobbs näherte sich dem Schacht und erstarrte. Seine Knie wurden weich und die Hände kalt und feucht. Die Erinnerung an den Absturz kam wieder – und mit ihr die Angst. Unter ihm klaffte der Abgrund. Ein Mosaik, das eine sternförmige Blüte darstellte, schmückte den Boden. Winzige Gestalten bewegten sich darauf hin und her. Stadtbewohner mit Käferaugen.
    »Na wird’s bald?«, drängte die Frau. Sie machte Anstalten, ihn zu schubsen. Tobbs

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