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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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unordentlich verstreut auf dem Boden herum. Schmutzige Teller stapelten sich auf dem Tisch.
    »Was siehst du?«, nuschelte Mamsie Matata unter seiner Jacke. Mit einer unwilligen Bewegung seines Schulterblatts gab Tobbs ihr zu verstehen, dass sie schweigen sollte. Zum Glück verstummte sie tatsächlich. Nun konnte er ganz deutlich das Schnarchen vernehmen – es kam von der anderen Seite des Kleiderbergs. Vorsichtig schwebhüpfte er über den Haufen. Dahinter lag ein junger Mann und schlief. In diesem Raum hing kein Panoramaspiegel, dafür stand neben der Bastmatte, die dem Mann als Bett diente, ein hübscher kleiner Altar aus grünem Stein. Tobbs hielt sich am Altar fest und besah sich den schlafenden Bewohner dieses Trümmerzimmers. Sein kurz geschnittenes Haar war leuchtend blau gefärbt und seine Kleidung war kreischend bunt. Die silbern und pink gestreiften Hosenbeine waren ihm über die Knie hochgerutscht. Tiefe Ringe unter seinen Augen und der Geruch nach Schnaps ließen vermuten, dass er gerade seinen Rausch ausschlief. Tobbs betrachtete den Fremden eine Weile aufmerksam, dann zückte er sein Messer.

DZHS
    Hunderte von Menschen drängten sich in den Hallen, auf weiten Korridoren und kleinen, zum Flur offenen Wirtsräumen. Alle paar Schritte wechselte die Musik, wenn eine neue Kneipe in Sicht kam. Menschen kamen Tobbs entgegen – schrill gekleidete Leute mit kurz geschnittenem Haar, das meist papageienbunt gefärbt war. Manche trugen Käferaugen in unterschiedlichen Farben, andere hatten kurze Röcke an, die den Blick auf schimmernde, mit Bronzestaub eingeriebene Beine freigaben. Je nach Takt und Beat liefen sie schnell oder noch schneller. Denn eilig hatten sie es alle.
    Tobbs musste zusehen, dass er im Laufschritt einen Blick in die schmalen Läden, Stehtempel und Imbissbuden erhaschte.
    In manchen Räumen wurde getanzt – diese Tanzecken waren komplett verspiegelt, doch magische Spionspiegel waren es offenbar nicht, denn Tobbs sah sich selbst hundertfach: eine gespenstisch blasse Gestalt mit kurzem Haar. Mit dem Messer hatte er sich die langen Haare abgeschnitten. Blau und silbern leuchtete das seltsame Gewand, das er aus dem Schrank des schlafenden Mannes gestohlen hatte. So war Tobbs ganz gut getarnt – der lange, schmale Mantel verbarg seine Jacke und seine Hose. Der kleine Altar, den er in den Armen hielt, war dank des Schwebanzugs erstaunlich leicht, aber dennoch schwer genug, um Tobbs sicher am Boden zu halten. Außerdem erfüllte er noch einen weiteren Zweck: Mit dem Altar in den Armen war er noch besser getarnt als mit seinen kurzen Haaren. Mamsie Matata hatte ihm erklärt, dass die Leute aus den entferntesten Dörfern sich hier einen Altar mieten konnten – die Plätze waren begehrt, denn die Stadt lag ganz nah an den Bergen der Götter. Gegen ein monatliches Entgelt hielten die Mietpriester die Gebete am Laufen. Ein Passant, der einen Altar zu seinem Bestimmungsort trug, fiel also überhaupt nicht auf.
    Dennoch hob Tobbs, als er einige Priester sah, die sich durch das Gedränge schoben, den steinernen Kasten so hoch, dass sein Gesicht dahinter fast verschwand, und ging etwas schneller. Nur noch wenige Schritte bis zum Ende des Flurs und er würde die Treppe zum nächsten Stockwerk erreichen! Wie viele Stockwerke dieses Gebäude wohl haben mochte? Und: War es nahe genug an der Stadtmauer?
    Ein Stoß nahm ihm die Luft und eine steinerne Kante drückte sich in seinen Magen. Mamsie Matata ließ einen unwilligen Laut hören, der irgendwo in Höhe seines sechsten Rückenwirbels verhallte. Tobbs spähte vorsichtig über den Rand des Altars. Das Mädchen, das er angerempelt hatte, funkelte ihn wütend an und rieb sich die Seite. »Kannst du nicht aufpassen, wo du hinrennst?«, rief sie.
    Ihr Haar war knallrot und stand in zu Spitzen geformten Stacheln von ihrem Kopf ab. Auch ihr Kleid war rot. Ihre aggressive Aufmachung lenkte beinahe von ihren zarten Gesichtszügen ab, die Tobbs sofort an Anguana denken ließen – und das Heimweh gab ihm wieder einen tiefen Stich. Er schluckte schwer.
    »’tschuldigung«, murmelte er und setzte sich eilig wieder in Bewegung. Die Priester waren gefährlich nahe herangekommen.
    »He du!«, rief das rote Mädchen ihm hinterher. »Warte doch mal – du willst den Altar verkaufen?«
    Tobbs blieb stehen und wandte sich nach ihr um. Sollte er mit ihr sprechen? Nun, abgesehen von ein bisschen viel Rot sah sie doch eigentlich ganz sympathisch aus. Zögernd machte er

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