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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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geschleift. Tobbs tastete mit seiner freien Hand nach dem verhedderten Zügel und zog mit aller Kraft daran. Rechts und links von ihm erklangen Schreie, etwas klirrte wie zerbrechendes Porzellan und etwas viel Größeres barst mit einem Geräusch wie Steinschlag. Endlich, als Tobbs das Reißen von Stoff hörte, glitt der Zügel von seiner Hand ab. Die Wucht des letzten Sprungs schleuderte ihn und Sid aus der Kurve. Tobbs schlitterte auf einen Graben zu und landete bäuchlings in einem Haufen Gestrüpp. Die donnernden Hufschläge des Mancors entfernten sich.
    Tobbs spuckte eine Handvoll faulig schmeckender Erde aus. Sein Körper konnte sich offenbar nicht entscheiden, welche Stelle am meisten wehtat, und verteilte den Schmerz einfach großzügig über alle Gliedmaßen. Mühsam öffnete er die Augen, hob den Kopf – und blickte in einen orange-blauen Frühabendhimmel, an dem schon die ersten Sterne blinzelten. Das war mit Sicherheit nicht Yndalamor. Erschrocken tastete er nach dem Spiegel auf seinem Rücken. Er war fort! Er hatte Mamsie Matata verloren! Und wo war Sid?
    Direkt vor seiner Nase lag ein zerbrochener Holzlöffel. Der stammte ganz eindeutig nicht aus Dopoulos’ Küche. Nicht weit davon entdeckte er einen verbeulten Topf und die Trümmer mehrerer Weinfässer.
    »Sid?«, flüsterte Tobbs. »Sid, lebst du noch?«
    Am Grabenrand über ihm stöhnte ein geplatztes Kissen und richtete sich schwankend auf. »Mehr oder weniger!«, krächzte das federbeklebte Gespenst und zog sich die zerfetzte Kissenhülle vom Kopf. Tobbs atmete erleichtert auf und kroch die Grabenwand hoch. Sid sah sich benommen um und erstarrte.
    »Wow!«, stieß er hervor. Tobbs erreichte den Grabenrand und folgte dem Blick des Dämons. Für das, was er nun sah, würde Kali ihn in winzige Stücke zerfetzen und diese in alle Winde zerstreuen!
    Der Mancor hatte mit seinen mörderischen Hufen eine Schneise gezogen – fein säuberlich mitten durch ein Dorf hindurch. Und auch mitten durch drei Häuser. Auf den Apfelbäumen in den Vorgärten schaukelten einige der Dorfbewohner in verschiedenen Stadien des Bekleidetseins wie schwere Vögel auf und ab – andere hatten sich auf die mitten entzweigeborstenen Dächer geflüchtet und starrten fassungslos dem Mancor hinterher, der eben am glutroten Horizont verschwand. Eine gewaltige Furche der Zerstörung, angefüllt mit zerbrochenen Möbeln, verbeulten Badezubern, Matratzen und Bettlaken markierte den Weg, den Kalis Ungeheuer eingeschlagen hatte.
    Ein untersetzter Mann mit einer geblümten Nachtmütze auf dem Kopf machte seinen Mund wieder zu, rutschte vorsichtig von einem der Dächer und blickte sich irritiert um. Er entdeckte Tobbs und Sid und stutzte. Hier musste die Zeit langsamer voranschreiten als in Dopoulos’ Taverne, denn Tobbs konnte die Gedanken des Mannes geradezu sehen: alte Weiblein mit Krückstöcken, die nun grimmig auf ihn zuwackelten.
    »Aufstehen, Sid!«, wisperte er. »Mach schon!«
    Blasse Gesichter wandten sich ihnen zu. Doch niemand rührte sich oder sagte ein Wort. Tobbs packte Sid am Arm und zog ihn hoch. Hand in Hand taumelten sie vom Graben weg, während die Dorfbewohner ihnen nachschauten.
    »Wir müssen verschwinden, bevor sie anfangen zu denken«, zischte Tobbs dem Dämon zu. »Am besten in den Wald. Geh ganz langsam, als würden wir nur einen Spaziergang machen.«
    Fünf oder zehn Schritte folgten sie der Furche, die der Mancor in den Boden gerissen hatte, ohne dass einer der Dorfbewohner sie daran hinderte.
    »Wenn wir da vorne bei der zerbrochenen Schnapsflasche sind, rennen wir los!«, befahl Tobbs. Sid nickte nur. Beim letzten Schritt vor der Flasche zog er plötzlich an Tobbs’ Hand und blieb stehen.
    Direkt vor ihnen, im aufgeworfenen schlammigen Erdreich, lag eine Gestalt. Mit einem Ruck setzte sie sich auf, wischte sich den Schmutz vom Gesicht und schüttelte den Kopf wie ein Hund nach dem Bad. Glasige grüne Augen glänzten auf, die sich beim Blick auf Tobbs allerdings zu Schlitzen verengten.
    »Du warsashier also, Tobbs!«, lallte Fairy Sam. Offenbar hatte er seit ihrem Gespräch an der Tür eine weitere wichtige Unterredung mit der Schnapsflasche geführt.
    Schwere Schritte stampften durch den Morast. Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengrube blickte Tobbs sich um.
    Hinter ihm stand eine Front aus töricht faszinierten, schlammverschmierten Gesichtern und zerrissenen Hemden, die im Wind wie Banner wehten. Eine Frau ließ ein verbogenes Küchenmesser

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