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Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wensierski
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sie auch nicht mehr .
    Marie versuchte noch eine Weile, Jule zu überzeugen, dass sie nicht aufgeben dürfe, dass es ohne Abschluss vorbei wäre mit einer Karriere am Theater. Und wenn es an einem Theater nicht gehe, dann funktioniere es in diesem Land an allen anderen Theatern auch nicht mehr.
    Marie hielt inne, als sie begriff, dass sie Jule mit all ihren Argumenten nur noch weiter darin bestärkte, es ihrem Bruder gleichzutun. Zum Abschied umarmte sie Jule lange.
    Marie ging langsam zu Fuß zurück in die Rykestraße. Ihr kam wieder das Bild in Jules Zimmer vor Augen, die Birke mit den hellgrünen Blättern im Sonnenlicht. Ein fröhlicher Anblick, aber Marie war traurig bei dem Gedanken, dass Leute wie Jule für immer von hier fortgingen.
    DEN BESUCH in Waren an der Müritz musste Jens nun doch alleine machen. Marie hatte ganz vergessen, dass am selben Wochenende ein lange geplantes Familientreffen in Babelsberg anstand. Außerdem wollte sie ihren Vater bitten, beim Entwurf des Bühnenbilds zu helfen.
    Sie hatte zwar die Idee, die Bühne für die Verkaufte Braut mit Marktständen zu füllen, wie sie sie ihr einmal auf einer Paddeltour in einem der Spreewalddörfer aufgefallen waren. Marie hatte aber noch nicht mit dem eigentlichen Bauen begonnen, obwohl der Termin langsam drängte. Vielleicht könnte sie gemeinsam mit ihrem Vater Jules Anregungen umsetzen, in seinem Bastelkeller sägen und schleifen und nach dem Wochenende mit einer fertigen Kiste zurückkommen? Außerdem würden sie bestimmt alle auf der Terrasse sitzen, und es gäbe den von ihrer Mutter gebackenen Kirschkuchen mit Pudding. Nebenbei könnte sie mal wieder ausgiebig ein Wannenbad nehmen. Marie freute sich auch darauf, ihre jüngere Schwester Annette zu sehen, die Kunstwissenschaft studierte und mit der Marie schon länger nicht mehr gesprochen hatte.
    JENS, der den Biologen an der Müritz nicht persönlich kannte, war einfach hingefahren, ohne sich anzukündigen. Ein Telefon besaßen beide nicht, und ein Brief, das wusste Jens, hatte meist zu viele Mitleser.
    Der Mann, so hatte Jens in seiner Umweltgruppe gehört, galt als Freigeist und war viele Jahre lang als Biologe im Müritz-Museum angestellt gewesen, es lag inmitten der Mecklenburgischen Seenplatte und war seine Welt. Bis vor kurzem. Da hatte man ihn von seinem Posten entfernen wollen, weil er den Wehrdienst verweigert hatte. Er sollte zur Reserve eingezogen werden. Ich bin Wissenschaftler und kein Soldat!, schrieb er in einem Brief an die zuständigen Organe . Daraufhin verlangte man von ihm, er müsse an den Übungen zur Zivilverteidigung teilnehmen. Das wollte er auch nicht. So wurde er vom wissenschaftlichen Mitarbeiter, der für die Sammlung des Museums zuständig war, zum Gärtner des Hauses degradiert.
    Um seine Familie über Wasser halten zu können, ging er nach drei Monaten freiwillig und nahm Aufträge der Kirche in deren Forsten an. Mit dieser Geschichte im Kopf stand Jens nach einer zweistündigen Bahnfahrt vor der Tür eines Häuschens im Zentrum von Waren und klopfte. Als ein bärtiger Mittdreißiger ihm öffnete, kam Jens gleich zur Sache.
    Wir haben gemeinsame Freunde, die haben mir von deiner Reise in die Mongolei erzählt. Ich studiere gerade Biologie und will auch in die Mongolei. Dort will ich eine bisher fast unbekannte Vogelart suchen, die ich im Donaudelta entdeckt habe. Du warst doch da und hast dort ein Forschungsinstitut besucht. Kannst du mir davon erzählen? Vielleicht ist das entscheidend dafür, ob am Ende meine Reise klappt oder nicht. Ich heiße übrigens Jens.
    Und ich bin Hannes , sagte der Mann und streckte Jens seine Hand entgegen, schüttelte sie ziemlich lange und grinste ihn an. Dann trat er nach draußen und schloss die Tür hinter sich. Sein Haus, da war er sicher, wurde abgehört.
    So gingen beide lange am Schilfgürtel des Müritzsees spazieren. Es war ein warmer Abend, und nachdem sie mehrere Stunden an der Müritz gesessen und Jens eine Menge Tipps für die Reise in die Mongolei bekommen hatte, probierten sie einfach aus, ob man schon im See baden könne. Sie zogen ihre Kleidung aus und gingen erst vorsichtig, dann mit einem Sprung ins kalte Wasser.
    Hannes lud Jens ein, über Nacht zu bleiben, da es schon recht spät geworden war.
    Komm, bleib bei uns, du kannst jetzt nicht mehr heimfahren!
    Am nächsten Morgen drückte Hannes Jens ein Papier in die Hand. Es war eine Einladung in die Mongolei, der Text auf Russisch geschrieben. Hannes hatte das

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