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Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wensierski
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Schreiben auf rötlich eingefärbtem, glänzendem Papier seinem Besucher mit dem Hinweis darauf überlassen, dass der Einladungstermin schon lange abgelaufen sei.
    Vielleicht klappt es, vielleicht klappt es nicht.
    Jens könne ja mit den Biologen in der Mongolei Kontakt aufnehmen und nach einer neuen Einladung fragen, allerdings glaube er kaum, dass ein einfacher Student wie er eine Einladung und damit ein Visum erhalte.
    Jens nahm das Papier im Zug nach Berlin immer wieder in die Hand und starrte es an. Was konnte er mit der alten Einladung nur anfangen?
    Dann hatte er einen Einfall.
    DER SAAL in der Stadtbibliothek, in dem sein Diavortrag für die Urania stattfinden sollte, war schon gut gefüllt, als Jens mit seinen Bildern eintraf. Er hatte die Strecke von der Rykestraße bis zur Breiten Straße in der Stadtmitte in ein paar Minuten mit dem Fahrrad zurückgelegt. Die Bibliothek lag neben dem historischen Marstallgebäude in der Nähe des Palasts der Republik und des Staatsratsgebäudes. An der Eingangstür prangte ein auffälliger Metallteppich aus hundertsiebzehn Varianten des Buchstabens A. Bis zu vierhundert Leute fasste der Saal, ein sehr gemischtes Publikum war gekommen. Diesmal zeigte Jens überwiegend Dias, die er in Naturschutzgebieten der DDR aufgenommen hatte, vom Fichtelberg bis zu den Seevogelschutzinseln in der Ostsee. Er verglich deren Fauna und Flora mit ähnlichen Gebieten in Russland. Zu den Bildern von Insekten und Vögeln erklärte er die Bedeutung des biologischen Gleichgewichts. Über dieses Thema kam er auf die Gefahren von Pflanzenschutzmitteln zu sprechen. Nach einer Frage aus dem Publikum ging er auf das in der DDR damals noch viel verwendete Insektenvernichtungsmittel DDT ein, das sich nicht abbaue, sondern in die Nahrungskette übergehe.
    DDT ist nicht nur schuld daran, dass bestimmte Arten aussterben, es ist auch für uns Menschen gefährlich. Weil das Insektengift sich in Fett löst, reichert sich DDT zunächst im Fettgewebe von Fischen und Vögeln und schließlich auch im Körper der Menschen an. So ist DDT selbst in der Muttermilch von Frauen hier bei uns nachweisbar.
    Ein anderer Zuschauer meldete sich und fragte, ob es denn nicht schon längst Alternativen zu DDT gebe.
    Sicher , antwortete Jens. Dann wagte er, vorne auf der Bühne stehend, ein offenes Wort.
    In Wandlitz wurde im vergangenem Jahr Dimilin gespritzt und nicht DDT . Dimilin muss in der Schweiz eingekauft werden, bei Sandoz in Basel. Dafür müssen wir Devisen ausgeben.
    Dimilin ist ein Häutungshemmer. Es verhindert, dass Larven schlüpfen können. Wenn es einen Massenbefall von Schädlingen gibt, von Käfern, die einen Wald kahlfressen könnten, dann stoppt Dimilin deren Vermehrung. Es rottet aber nicht wie DDT die ganze Population aus, sondern tötet nur die Exemplare, die sich gerade häuten oder schlüpfen wollen.
    Bei uns wird aber in der Regel DDT gespritzt. In Templin wurde neulich sogar der Stadtpark gespritzt. Daraufhin mussten viele Kinder mit entzündeten Augen in die Krankenhäuser eingeliefert werden.
    Ein anderer Mann im Publikum wollte wohl witzig sein, denn alle im Saal kannten die Antwort auf seine Frage.
    Warum wird denn in Wandlitz Dimilin gespritzt?
    Jens antwortete kurz.
    Überlegen Sie doch mal, wer da wohnt. Den Rest der Antwort können Sie sich bestimmt selbst geben.
    Es ging ein leichtes Raunen durch den Saal. Denn jeder wusste, was Jens meinte. In Wandlitz, einem kleinen, abgeschirmten Ort im Grünen, nördlich von Berlin, wohnte die Altherrenriege des Politbüros um Erich Honecker, den Regierungs- und Parteichef.
    Der Abend war ein großer Erfolg für Jens. Am Ende des Vortrags war er noch umringt von Interessierten, die ihm viele Fragen stellten. Er bemühte sich, alle zu beantworten. Ein Zuhörer gab sich als Mitglied einer Umweltgruppe zu erkennen. Er bat den jungen Biologiestudenten, ob er nicht mal einen solchen Vortrag bei ihnen halten könne.
    Jens fuhr zufrieden zurück in die Rykestraße. Er hatte den Abend mit Menschen verbracht, die sich für seine Erfahrungen interessierten. Das machte ihn nicht nur zufrieden, sondern glücklich.
    AM NÄCHSTEN TAG war er nach seinen Seminaren an der Uni noch eine Weile in der Stadt unterwegs. Er suchte einige An- und Verkaufsläden auf. Dort fand er nicht das, was er suchte, erhielt aber von einem der Händler eine Adresse eines Garagenhofs in Pankow, auf dem ein älterer Mann unter der Hand alte, gebrauchte Sachen verkaufte. Er hatte drei

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