Die verbotene Reise: Die Geschichte einer abenteuerlichen Flucht - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
komme. Er lachte und antwortete, man müsse wohl mehr als ein Jahr mit dem Pferd dorthin reiten.
Tanjus Eltern standen vor dem Eingang ihrer Jurte. Aus den anderen Jurten kamen Onkel, Tante, Cousinen und ein paar jüngere Neffen und Nichten, um die Besucher zu betrachten.
Aber ich sehne mich immer wieder nach den Weiten der Steppe und nach der Ruhe, die dort in der Luft liegt.
Marie war beeindruckt, dass nichts außer dem Inhalt von Magen und Darm der Ziege weggeworfen wurde.
Die Uhr spielt in diesem Land keine große Rolle. Wichtiger ist die Stimmung, in der man sich trifft oder auseinandergeht.
Sie stellten sich vor, indem sie mit dem Zeigefinger auf sich zeigten und ihre Namen sagten: Bajar und Bahadur.
Jens öffnete das Zelt und erspähte nicht weit entfernt wilde Pferde beim Grasen.
Marie schaute auf ein Land ohne Zäune, ohne Hochspannungsleitungen, ohne rechtwinklige Felder.
Im Zuge der Kollektivierung war ein trostlos aussehendes Nomadenghetto am Ortsrand entstanden. Jurte neben Jurte, durch Holzzäune auf engstem Raum abgetrennt.
Bald stoppten sie erneut, diesmal unplanmäßig. Der Motor versagte seinen Dienst, mitten in der Wüste. Das Warten wurde lang, heiß und ungewiss.
Auf den letzten Kilometern vor der Oase machten sie noch einmal Halt bei Kamelzüchtern. Die lebten an einer kleinen Wasserstelle, um die einige spärliche Sträucher und Gräser wuchsen.
Als die Sonne hoch am Himmel stand, krochen die Passagiere unter den Lkw, wo es den einzigen Schatten weit und breit gab. Bis zum Horizont erstreckte sich eine weite und ebene Wüstensteppe.
Sie machten es sich mit ihren Rucksäcken bequem. Marie fütterte die beiden Agamen, die sie wie Haustiere mitgenommen hatte, mit Ameisen.
Wenn wir es zusammen bis in die Mongolei schaffen, könnten wir in Ulan Bator versuchen, in der chinesischen Botschaft ein Visum für China zu bekommen, dann könnten wir auch dort noch überall herumreisen.
Hohhot lag in einem langgestreckten Tal. Vom Zentrum aus sahen sie die schwarzen Rauchwolken des Kraftwerks und der Fabriken am Stadtrand, die bis über die Wohnhäuser wehten.
Für ein paar chinesische Yen mieteten sie sich in einer Herberge, die nicht für Ausländer gedacht war, gemeinsam ein Bett.
Diese fremde Welt, von der sie keine Vorstellung gehabt hatte, faszinierte Marie und machte sie gleichzeitig traurig.
Wohin sie auch kamen, drängten sich die Menschen um sie. Sie waren neugierig und freundlich.
An einer langen Ziegelmauer stießen sie auf einen Friseur, der sein Handwerk im Freien ausübte. Seine Werkzeuge hingen an der Mauer, seine Kunden saßen auf einer Kiste, darin ließ der Mann nach getaner Arbeit seinen kompletten »Laden« verschwinden.
Als sie in eine Gasse einbogen, sahen sie vor jedem Hauseingang einen aus Ziegelsteinen gemauerten Ofen. In die kleinen Häuser, in denen Großfamilien zusammenwohnten, passte kein Ofen, die Leute kochten im Freien.
Esel zogen hoch beladene Karren hinter sich her, Marie und Jens folgten ihnen, bis sie auf einem Marktplatz standen. Dort wurden auch Katzen, Hunde, Schildkröten und andere Tiere, die in engen Käfigen verstaut waren, verkauft.
In einer Straße waren gerade mehrere Lastwagen mit dicken, grünen Melonen entladen worden, die auf dem Boden zu Pyramiden aufgetürmt und zum Verkauf angeboten wurden.
Am Flussufer direkt unterhalb der Siedlungen mündeten die Abwasserkanäle in den Strom. Neben den Rohren spielten Kinder mit luftgefüllten Gummischläuchen im Wasser, ein paar Meter weiter trieben Bauern ihre Rinder zum Fluss.
Die zur Straße hin gelegenen Räume waren wegen der großen Hitze völlig offen. Sie wurden als Werkstätten genutzt.
Ein paar Schritte weiter sahen sie einen Laden, dessen Regal vor allem mit Konserven gefüllt war.
In den langen Tagen, den langen Nächten der Reise habe ich im Umgang mit dieser anderen Art von Menschen mehr gelernt von den Kräften und Spannungen, die unsere Welt bewegen, als aus hundert Büchern.
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