Die verbotenen Küsse des Scheichs (German Edition)
England einen so unendlichen Himmel gesehen. Auch die Wüste selbst beeindruckte sie zutiefst. Die goldenen Sanddünen und die weiten Ebenen, auf denen nichts wuchs. Ansammlungen grauer Steine und Erde in verschiedenen Ocker- und Brauntönen, so fremd, dass man meinen konnte, sich auf einem anderen Planeten zu befinden. Dies alles faszinierte Cassie.
Genau wie Jamil. Für sie war er die menschgewordene Verkörperung all dessen, was die Wüstenlandschaft ausmachte.
Was für ein absurder Gedanke! Und doch: Sein Leben war untrennbar mit der Wüste verbunden. Aber er schien sich dieser kargen, unwirtlichen und doch wunderschönen Landschaft nicht unterzuordnen, sondern sie zu beherrschen.
Cassie suchte sich einen Platz in der Nähe des Trinkwasserteichs und beobachtete, wie Jamils Männer die Zelte aufbauten.
Zwei Sternschnuppen erstrahlten am Himmel. Unwillkürlich rief Cassie laut: „Wie herrlich!“ Und aus dem Gedächtnis zitierte sie zwei Zeilen aus einem Gedicht: „Oh unvergleichlich schöne Nacht! Nicht zum Schlaf bist du gemacht.“
„Pardon?“, sagte eine Stimme neben ihr.
Jamil! Wie hatte er sich ihr unbemerkt nähern können? Sie schaute verwirrt zu ihm auf. „Sie kennen den englischen Poeten Byron? Ich bin allerdings nicht sicher, dass ich ihn korrekt zitiert habe.“
„Sie bewundern einen Mann, der ein so skandalöses Leben führt?“
„Ich bewundere seine Gedichte, nicht seine Lebensführung.“
„Ach ja, ich hätte fast vergessen, dass Sie eine Schwäche für Dichter haben.“
Sie errötete, was er im Dunkeln allerdings nicht sehen konnte.
Dennoch sagte er, fast als wolle er sich für seine Worte entschuldigen: „Die Nacht ist viel zu schön für unangenehme Gedanken. Im Übrigen müssen Sie sehr müde sein, Lady Cassandra.“
„Cassie“, korrigierte sie ihn. „Mein Name weckt so viele unerwünschte Assoziationen.“
„Sie möchten nicht an die Seherin Cassandra erinnert werden?“
„Meistens nicht.“ Wenn Jamil lächelte – und jetzt lächelte er sehr offen –, dann veränderte sein Gesicht sich. Es schien weicher zu werden, entspannter. Cassie erwiderte sein Lächeln. „Wenn ich selbst ein wenig in die Zukunft hätte sehen können, wäre ich wohl kaum auf einen Mann wie Augustus hereingefallen.“
„Dann wären Sie jetzt allerdings auch nicht hier.“
„Das stimmt.“ Sie unterdrückte ein Gähnen.
„Ihr Zelt ist aufgebaut. Gehen Sie schlafen“, meinte Jamil.
Sie wollte sich erheben, doch plötzlich übermannte die Erschöpfung sie mit aller Macht. Cassie taumelte. Sie spürte noch, wie Jamils Hände sie stützen. Dann war sie eingeschlafen.
Jamil stieß einen tiefen Seufzer aus. Dann hob er Cassie hoch und trug sie zu ihrem Zelt, wo er sie vorsichtig auf den Diwan legte. Sie schlief so fest, dass sie sich nicht rührte, als er die Doppelreihe der winzigen Knöpfe öffnete, mit denen ihr Jäckchen geschlossen wurde. Er bemühte sich, dabei ihre Brüste vollkommen zu ignorieren, und wandte sich rasch ihren Schuhen zu. Nun musste er ihre hübschen Knöchel und ihre zierlichen Füße ignorieren, was ihm einigermaßen gelang. Nachdem er eine leichte Decke über Cassie gebreitet hatte, beeilte er sich, ihr Zelt zu verlassen.
Dennoch blieb ihm ihr entspanntes Gesicht mit den fein geschwungenen vollen Lippen, den rosa überhauchten Wangen und den langen Wimpern in Erinnerung, die so viel dunkler waren als ihr goldenes Haar. Erneut seufzte er. Diese Engländerin hatte etwas an sich, das in ihm den Wunsch weckte, sie zu beschützen, obwohl sein Körper gleichzeitig vor Verlangen nach ihr brannte.
„Gouvernante“, sagte er laut, um sich klarzumachen, wie unerreichbar sie war. „Gouvernante.“ Aber das änderte nichts daran, dass die Erinnerung an ihre verführerische Weiblichkeit ihm noch lange den Schlaf raubte.
Am nächsten und übernächsten Tag setzten sie ihren Weg fort. Nach und nach veränderte sich die Landschaft. Noch immer befanden sie sich in der Wüste, doch am Horizont waren jetzt Berge zu erkennen. Dann wurde das Land fruchtbarer. Die kleine Karawane erreichte Palmenhaine, Felder und Ansammlungen von erdfarbenen Häusern, die am Rande von Oasen errichtet worden waren.
Wenn die Menschen den stolzen Anführer der Karawane bemerkten, fielen sie auf die Knie und wagten nicht, den Blick zu heben, bis ihr Herrscher vorbeigeritten war. Einmal, als Cassie sich umschaute, sah sie, wie eine Gruppe von Frauen zusammenlief, um aufgeregt miteinander zu reden. Die
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