Die Verdammnis
sich wenigstens zu verändern.
Die Lichtschächte und Eingangsöffnungen der Behausungen waren nichts anderes als dunkle Löcher im Grau des Gesteins und den Schatten, die überhängende Felsvorsprünge warfen. Wo es nötig gewesen war, Fels zu entfernen oder zu bearbeiten, hatten die Erbauer keine glatten Kanten und Ecken, sondern rissige und rauhe Formen hinterlassen. Treppen, die die verschiedenen Ebenen der Ansiedlung miteinander verbanden, bestanden aus unterschiedlich großen Stufen, deren Entfernung zueinander variierte. Wege und Galerien waren nicht befestigt und sahen aus wie durch Witterung entstanden.
Und alles wirkte verlassen und tot. Nicht einmal von jenem, den er verfolgt hatte, vermochte Landru noch die allergeringste Spur zu entdecken.
Trotzdem fühlte er sich von Dutzenden Augen beobachtet. Die Blicke ruhten auf ihm wie körperliche Berührungen.
Und noch etwas nahm Landru wahr. Einen üblen Geruch, der in der Luft hing.
Landru kannte diesen Geruch, fand ihn in seiner Erinnerung. So hatten all jene gerochen, denen er als Vampir gegenübergetreten war und die allesamt das Nahen ihrer letzten Stunde gespürt hatten.
So roch Angst.
Aber Landru wußte, daß hier und heute nicht er der Auslöser dieser Angst war.
Diese Angst war alt. Sie schien seit sehr langer Zeit, vielleicht sogar schon immer Teil dieser Siedlung zu sein, Teil jener Wesen, die hier lebten und sich jetzt verbargen vor dem Fremden.
Mit Blicken suchte Landru den fast unsichtbaren Pfad zur nächsten Behausung. Dann machte er sich auf den Weg.
Er lief über teils gerade fußbreite Steige, kletterte über hohe Stufen und langte schließlich vor der dunklen Felsöffnung an.
Dahinter war kaum etwas zu erkennen, weil man erst einen gut drei Meter langen Gang durchschreiten mußte, ehe man ins Innere der Wohnstatt gelangte.
Landru zögerte kurz, dann trat er ein.
Es dauerte zwei, drei Sekunden, bis seine Augen sich mit dem spärlichen Licht begnügten. Dann erkannte er die Einrichtung der Höhle, die mit »karg« noch wohlwollend beschrieben war.
Im entferntesten Winkel rührte sich etwas in den Schatten.
Jemand.
Landru ging weiter vor und blieb stehen, als er vage die Umrisse eines Menschen - oder zumindest einer menschlichen Gestalt - ausmachte.
»He!« rief er. »Komm hervor, ich tu dir schon nichts.«
Die Bewegung in der Ecke blieb, doch die Gestalt machte keinerlei Anstalten, Landrus Aufforderung nachzukommen.
Landru wagte sich ein weiteres Stück vor. Nun konnte er das Gesicht des anderen halbwegs erkennen. Ein menschliches Gesicht, ein männliches, auf seltsame Weise jung und alt in einem, in den Augen ein Glanz wie von einer flackernden Kerze.
»Wer bist du?« fragte Landru.
Ein weiterer Schritt. Landru streckte die Hand, winkte den anderen mit den Fingern zu sich.
»Nun komm schon«, sagte er, bemüht, einen beruhigenden Ton in seine Worte zu legen.
Noch ein Schritt.
Aus dem Flackern im Blick des anderen wurde jäh ein blitzhaftes Leuchten.
Landru schrie auf!
Der Boden unter ihm gab nach, brach.
Und Landru stürzte.
Für einen zeitlosen Moment schien sein Fall unendlich langsam vonstatten zu gehen, ließ ihm Gelegenheit, nach unten zu sehen und den schlechten Lichtverhältnissen zum Trotz zu erkennen, was ihn dort unten am Grund der Grube erwartete.
Pfähle!
Armstarke Holzpflöcke, oben zugespitzt.
Sie würden ihn aufspießen, gleichsam pfählen!
Grausame Ironie des Schicksals, durchfuhr es Landru. Nun bin ich Mensch und sterbe doch den Tod eines Vampirs!
Er versuchte seinen Sturz zu kontrollieren, seinen Körper im Fallen zu drehen. Und schaffte es - - beinahe.
Blut spritzte, und rote Nebel erstickten Landrus Bewußtsein, machten ihn unempfänglich für die mörderischen Schmerzen.
*
Schmerz hatte Landru betäubt, und Schmerz weckte ihn. Als der Schmerz zu einer Art Tier zu werden schien, das sich mit Klauen und Zähnen an die Oberfläche seines Körpers zu wühlen begann, schlug Landru stöhnend die Augen auf. Und als hätte es nur des Übertretens jener Schwelle zwischen Besinnungslosigkeit und Wachsein bedurft, gewann der Schmerz in diesem Moment neue Macht.
Durch feurige Schleier hindurch sah Landru eine Hand in seinem Blickfeld auftauchen. Sie näherte sich einer jener Stellen seines Gesichtes, die wie in Flammen stehend brannten, und die Hand schien jenes Feuer noch anfachen zu wollen.
Landrus Rechte schnellte hoch. Seine Finger schlossen sich einer Eisenklammer gleich um den Arm seines
Weitere Kostenlose Bücher