Die Verdammnis
für Sekunden vergessen. Wie gern hätte Landru sie seinerseits berührt, aber schon der Gedanke an die dazu notwendige Bewegung tat ihm weh.
»Wo bin ich hier?« wiederholte Landru.
»Jedenfalls in Sicherheit vor ihnen.«
Wieder sprach sie von ihnen. Und wieder wollte Landru wissen, wer sie wären.
Diesmal zeichnete sich die Verwunderung unübersehbar in ihren verwirrend vielaltrigen Zügen ab.
»Na«, setzte sie dann endlich an, »sie natürlich, die unser aller Leib und Leben wollen - und mehr noch als das .«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, erwiderte Landru.
»Du scheinst doch seltsamer, als ich es angenommen hätte«, meinte sie. »Sag, wer bist du und woher kommst du?«
»Das ist eine verdammt lange Geschichte.«
»Verdammt«, wiederholte sie flüsternd. »Wie alles, wie wir .«
Schritte wurden jenseits des Gatters laut, Schatten tauchten auf.
»Eleya, du sollst dich nicht mit ihm unterhalten!« rief eine barsche Stimme. »Nur um seine Wunden sollst du dich kümmern, damit er uns Rede und Antwort stehen kann!«
Das Mädchen schrak auf, als hätte es die Schritte zuvor gar nicht gehört, weil es zu tief in Gedanken versunken gewesen war.
»Ihr dürft ihm nichts tun!« entfuhr es ihr, als die Tür des Verschlags geöffnet wurde und drei Männer eintraten.
Im Zwielicht konnte Landru kaum etwas von ihren Gesichtern erkennen. Nur soviel wurde ihm klar: Auch diese drei Menschen wirkten auf jene eigentümliche Weise wie das Mädchen alt und jung zugleich. Als wäre ihre Jugend hinter ihren erwachsen scheinenden Zügen konserviert, wie gefroren in einem ganz besonderen Moment »Ergreift ihn!« sagte einer von ihnen.
Eleya wollte ihnen den Weg vertreten. »Ihr dürft ihn noch nicht mitnehmen«, protestierte sie. »Er ist noch zu schwach.«
»Unsinn! Reden wird ja wohl können«, bekam sie zur Antwort und wurde unsanft beiseite gedrängt.
Landru fühlte sich gepackt und von seinem Lager hochgezerrt. Jede Wunde seines Körpers brach von neuem auf und entließ flammenden Schmerz. Nebel wogten wieder vor seinem Blick, doch während er hinausgeschleift wurde, sah er Eleyas Gesicht noch einmal - und seltsam klar, als schärfte ihm der Schmerz den Blick für sie.
Ihr Gesicht ... Es schien Landru in diesem Augenblick - bekannt.
Er hatte es schon einmal gesehen, vor sehr langer Zeit.
Vor über tausend Jahren .?
*
Obwohl sie sich alle Mühe gaben, entschlossen und hart zu wirken, vermochten die drei Männer Landru nicht zu täuschen. Er konnte ihre immerwährende Angst spüren und wittern. Und er hatte kaum Zweifel daran, daß er es geschafft hätte, ihnen zu entkommen, wenn es ihm nur ein kleines bißchen besser gegangen wäre.
So aber blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von ihnen mitschleppen zu lassen.
Zu seiner Verwunderung brachten sie ihn nicht ins Freie hinaus. Die höhlenartigen Wohnstätten schienen allesamt durch Tunnel miteinander verbunden zu sein und bildeten somit ein weitverzweigtes Netz, das die Felsen ringsum labyrinthartig durchziehen mußte.
Die Löcher, wie Landru sie von draußen gesehen hatte, waren in der Tat kaum mehr als Lichtluken, durch die zumindest vage Helligkeit und Frischluft in die Bauten gelangte.
»Wo bringt ihr mich hin?« fragte Landru seine »Leibgarde«.
Zugleich nutzte er die Gelegenheit, sie einer flüchtigen, aber nichtsdestotrotz genauen Musterung zu unterziehen. Die drei in einfachste Gewänder gekleideten Männer machten auf ihn den Eindruck junger Burschen, denen jedoch die Spannkraft und Energie der Jugend fehlte. Weder waren sie sonderlich kräftig, noch konnte Landru etwas wie Aggressivität spüren. Angst schien ihre einzig wahre Triebfeder zu sein, alles andere war nur Gehabe, noch dazu nicht einmal sonderlich überzeugend geschauspielert.
»Das wirst du schon sehen«, wurde ihm geantwortet.
»Wir haben einige Fragen an dich«, fügte ein anderer hinzu. »Und du hast hoffentlich ein paar gute Antworten parat.«
»Sonst?« fragte Landru, während er versuchte, seiner Schmerzen wenigstens soweit Herr zu werden, daß sie sein Reaktionsvermögen nicht behinderten.
»Abwarten.«
Sie erreichten Bereiche des Höhlensystems, in die kein Tageslicht mehr drang. Blakende Fackeln schufen in unregelmäßigen Abständen flackernde Inseln, die manches Mal so weit voneinander entfernt lagen, daß dazwischen Dunkelheit nisten konnte.
Die bleichen, fast schon totenblassen Gesichter der drei Männer legten für Landru den Schluß nahe, daß sie diese
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