Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
hin und her warf. Auf Graces Gesicht lag ein verängstigter Ausdruck und Tränen tropften über ihre Wangen.
Das Mädchen träumte, und anscheinend war es ein böser Traum.
Ganz sanft wischte Maddy die Tränen weg. Sie beugte sich zu der Kleinen und flüsterte: »Schon okay, Grace. Du bist jetzt in Sicherheit. Hier kann dir niemand wehtun.«
Sie war sich nicht sicher, ob Grace sie gehört hatte, aber Maddy hoffte es. Sie wollte das Mädchen nicht wecken, nicht, wenn es sich vermeiden ließ. Grace brauchte ihren Schlaf.
Kurz darauf beruhigte sich die Kleine langsam.
Ihr Gesicht entspannte sich und ihre Zuckungen hörten auf.
Gott sei Dank.
Trotzdem fragte sich Maddy, welche Schrecken Grace erlebt hatte, die so entsetzlich gewesen sein mussten, dass ihr Geist sie nun erneut heraufbeschwor.
Sollte sie Grace am Morgen nach ihrem Traum fragen? Womöglich konnte es die Dämonen ja vertreiben, wenn sie darüber sprach. Allerdings konnten sich die Schrecken dadurch auch erst recht in ihr festsetzen und ihren Kummer noch verschlimmern.
Am besten, ich spreche morgen mal mit Mum über das Thema. Oder mit Doc Emerson. Mal sehen, wie sie die Situation einschätzen.
Grace benötigte Hilfe, und genau die sollte das Asyl ihr auch bieten.
Sie hatten zwar keine Möglichkeit, den Schmerz und die bösen Erinnerungen auszulöschen, aber sie konnten sie immerhin lindern und dabei helfen, dass die Wunden verheilten. Maddy wollte ihre Mum außerdem fragen, ob Grace für immer bei ihnen bleiben konnte. Es gab keinen Grund, warum sie nicht zu einem Teil ihrer Familie werden sollte. Grace brauchte die Liebe und Unterstützung einer Familie. Es gab keine Gerichte oder gesetzlichen Verfahren mehr, und man musste keinen Adoptionsprozess durchlaufen. Natürlich lag es an Grace, aber wenn sie es wollte, sah Maddy keinen Grund, warum es nicht möglich sein sollte. Bei Lucy musste sie womöglich noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten, aber Maddy war zuversichtlich, dass auch ihre Schwester schließlich einverstanden sein würde. Sie war ein gutes Kind, und Maddy glaubte fest daran, dass sie und Grace gut miteinander klarkamen, wenn sie es nur versuchten.
Als sie pinkeln musste, hüpfte Maddy ganz vorsichtig aus dem Bett, um Grace nicht zu wecken. Im Stehen schaute Maddy sich noch einmal um und registrierte, dass auf Graces Gesicht nun ein friedlicherer Ausdruck lag.
Sie schlich an ihrer schlafenden Mutter und Schwester vorbei zu der Fackel, die immer noch brannte, obwohl die Flamme kleiner geworden und das Holz zur Hälfte heruntergebrannt war. Sie nahm ihre Fackel aus der Halterung, in Wahrheit nichts anderes als ein tiefes, von einigen Steinen umgebenes Loch im Boden – solche Halterungen hatten sie überall auf der Anlage gegraben –, und machte sich auf den Weg in den hinteren Bereich des Supermarkts.
Die Welt um sie herum wurde immer dunkler, je weiter sie sich von den Schlafräumen entfernte. Hier leuchteten nur noch wenige Fackeln, und trotz Vollmond fiel nur lückenhaftes Licht durch die Löcher im Dach herein. Maddy bewegte sich vorsichtig vorwärts und hielt die Fackel nach unten, um ihren Weg auszuleuchten.
Schon bald erreichte sie den Toilettenbereich. Über einem Dutzend Gruben lagen einige Bündel Zweige und anderes zusammengesammeltes Material, wobei sich in der Mitte jeweils eine kleine Öffnung befand, über der man sitzen, stehen oder hocken konnte. Daneben türmten sich mehrere Erdhaufen auf, mit denen man seine Ausscheidungen nach verrichtetem Geschäft zudecken konnte. Papiertücher, Zeitungen und Blätterstapel lagen in Milchkisten neben den Erdhaufen bereit, ebenso wie mit Wasser gefüllte Behälter und handgemachte Holzkellen, um sich die Hände zu waschen. Außerdem gab es Flaschen mit Handwaschgel, von den Plünderern freundlicherweise zurückgelassen.
Es war ein ebenso simples wie gutes System. Der Geruch ließ sich ertragen, aber wichtiger fand sie, dass es noch nicht zu Ausbrüchen von Magen-Darm-Erkrankungen gekommen war – zumindest nicht in den zwei Monaten seit Maddys Ankunft. Der einzige echte Nachteil bestand im Mangel an Privatsphäre. Aber die Leute lernten allmählich, darauf zu verzichten. Privatsphäre galt inzwischen als Luxus, nicht länger als Recht des Einzelnen.
Trotzdem mehrten sich die Bedenken, dass ihnen der Vorrat an Papiertüchern, Zeitungen und Handwaschgel irgendwann ausging – wie es schien, neigten sich immer mehr Vorräte dem Ende zu. Und sobald sie all diese Utensilien
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