Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
allen anderen am Feuer gesessen hatte. Bevor er anfing, sich selbst praktisch vom Rest der Welt abzugrenzen. Bevor Mark und die anderen gegangen waren, um ihre eigene Gemeinde von Abtrünnigen auf der anderen Seite des Flusses zu gründen. Ihr hatte diese Zeit gefallen. Sie vermisste diese Zeit.
Schließlich verstummte das Geheul der Männer und Tiere.
Gott, gibt es da überhaupt noch einen Unterschied?
»Ich sollte besser Tony helfen gehen«, meinte Frank.
Tony Lester war der andere Mann, den sie ausgewählt hatten, um den Eingang des Supermarkts zu bewachen. Abgesehen von Bill waren er und Frank die kräftigsten Männer, die noch im Asyl wohnten.
»Tony kann sehr gut allein auf seinem Hintern hocken und Wache halten«, bemerkte Julie Barber.
Julie war um die 30 und lebte fast von Anfang an hier im früheren Safeway. Sie hatte ihren Sohn und ihren Freund verloren, als die Neue Welt anbrach.
»Du musst dich auch mal ausruhen. Wenn er Hilfe braucht, weiß er, was er zu tun hat.«
Frank seufzte. Er sah Julie an, die neben ihm saß. »Ich schätze, du hast recht. Aber dieses Geheul gefällt mir ganz und gar nicht.«
Maddy konnte es zwar nicht beweisen, aber sie glaubte, dass zwischen Frank und Julie etwas lief.
»Das sind nur Jungs, die sich wie Jungs aufführen«, meinte Maddy. »Nichts weiter.« Sie warf Frank einen strengen Blick zu und nickte dann in Graces Richtung. Sie hoffte, dass er ihre Botschaft verstanden hatte: Hör auf, so zu reden. Du machst den Kindern Angst.
Frank, ein wirklich netter, kluger Kerl, erwiderte: »Du hast recht. Das sind nur Jungs, die sich wie Jungs aufführen. Nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssen. Lies weiter, Fran.«
Begleitet vom Knacken des Feuers und dem Zirpen der Zikaden setzte Fran ihre Lesung fort.
Rund 20 Minuten später kam auch Maddys Mum ans Lagerfeuer. Auf ihrem Gesicht lag ein ernster Ausdruck.
»Rutsch mal rüber, Lucy«, bat Maddy, und Lucy räumte ihren Platz auf dem Baumstamm.
Carol Tilling setzte sich zwischen ihre beiden Töchter, ohne auch nur Hallo zu sagen.
»Mum, hast du das Geheul eben gehört?«, fragte Lucy.
Carol nickte. »Ja, ich hab’s gehört.« Ihre Stimme klang flach.
»Das war ganz schön unheimlich, oder? Was meinst du, warum sie das getan haben? Glaubst du, dass Mark auch mitgemacht hat?«
Carol seufzte. »Ich weiß es nicht.«
»Lucy, hör auf, Mum Löcher in den Bauch zu fragen. Sei einfach still und hör der Geschichte zu.«
Lucy schnaubte. »Aber die ist soooooo langweilig. Warum können wir stattdessen nicht Harry Potter lesen?«
»Weil wir Harry Potter nicht haben. Und jetzt sei still.«
Maddy konnte es Lucy nicht übel nehmen, dass sie sich ein anderes Buch wünschte. Sie selbst hatte sich schon vor Tagen aus der Geschichte ausgeklinkt. Nicht, dass es ein schlechtes Buch war – immerhin galt es ja als Klassiker, deshalb nahm sie an, dass es auch gut sein musste, auch wenn sie noch nie zuvor etwas von Dickens gelesen hatte. Es weckte einfach ihr Interesse nicht. Sie hatte sich immer wieder dabei ertappt, wie sie in Gedanken abschweifte, wenn sie abends am Feuer saß und Fran beim Vorlesen zuhörte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie unspannend ein neunjähriges Kind die Geschichte finden musste.
Nach einer Weile lehnte sich Maddy zu ihrer Mutter und flüsterte ihr ins rechte Ohr: »Wie geht’s Sue?«
Ihre Mum drehte sich zu Maddy um. Ihre Augen verrieten Maddy alles, was sie wissen musste, aber Carol schüttelte trotzdem den Kopf und drehte sich wieder zum Feuer.
Maddy hätte das nicht überraschen dürfen. Sie hatte schon viele Menschen in diesem Dschungel sterben sehen, an den unterschiedlichsten Krankheiten. Aber die Neuigkeit traf sie trotzdem unerwartet. Ihre Kehle schnürte sich zu und Tränen stiegen ihr in die Augen.
Sie hatte das Mädchen kaum gekannt, aber das spielte keine Rolle. Es war trotzdem ein sinnloser Tod.
»Weißt du, wie sie gestorben ist?«
»Felix ist bei ihr. Er glaubt, dass es irgendein Gift war. Möglicherweise hat sie giftige Pilze gegessen. Morgen müssen wir nachschauen, ob irgendwo auf dem Gelände welche wachsen. Ich glaube, die Mädchen sind reif fürs Bett.«
Maddy sah, wie Lucy ausführlich gähnte, und drehte sich zu Grace um, die Mühe hatte, die Augen offen zu halten.
»Möchtest du, dass ich sie ins Bett bringe?«
»Ja, bitte«, erwiderte ihre Mum.
Was für eine Überraschung, dachte Maddy ein wenig genervt.
Sie war nicht genervt, weil sie die Mädchen ins Bett
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