Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
ein paar der unteren Stufen, die ein Baumfarn zerstört hatte, wirkte der Rest der Treppe unbeschädigt. Hier musste er sich nicht entscheiden, ob er lieber durch ein großes oder ein kleineres Loch stürzte.
Als er den oberen Absatz erreichte, ging er zu den Fenstern hinüber.
Eine Glocke gab es nicht mehr, aber Ben nahm an, dass früher dort eine gehangen hatte, wo sich jetzt nur noch Holzbalken unter der Decke erstreckten. Als er vor einem der langen, hohen Fenster mit hölzernen Fensterläden stehen blieb, stellte er sich vor, wie er hier oben stand und an dem Seil zog. Er konnte das durchdringende Läuten der Glocke förmlich hören, als habe ihr Klang einen geisterhaften Abdruck hinterlassen.
Ben blickte durch die Schlitze zwischen den Holzlatten auf den umliegenden Wald hinaus.
Obwohl er sich nicht über den allerhöchsten Baumwipfeln befand, bot sich ihm dennoch ein guter Ausblick auf diesen Teil des Dschungels. Er sah dichten, weitläufigen Wald vor sich, und in nicht allzu weiter Ferne entdeckte er inmitten der Vegetation die vertraute rot-weiße Reklame eines KFC. Noch immer baumelten einige Kletterpflanzenseile an dem Schild, auch wenn die Leichen, die einst daran gehangen hatten, längst verschwunden waren.
Das hier war nicht gut genug, befand er.
Von hier bot sich ihm nur ein kleiner Blick auf einen winzigen Teil seiner Umgebung, aber er wollte auch den Rest einsehen. Er schaute nach oben. Bis zur Decke waren es rund zehn Meter. Wenn er schaffte, aufs Dach zu kommen, hätte er einen Rundumblick auf den Dschungel.
Aber wie sollte er das Dach erreichen?
Er war ein guter Kletterer, aber zehn Meter an einem Ziegelturm hinaufzuklettern, überstieg auch seine Fähigkeiten. Er war nicht Spiderman, selbst wenn er sich das in unzähligen Tagträumen als Kind ausgemalt hatte.
Er blickte wieder hinaus und entdeckte mehrere Schlingpflanzen, die sich durch die Fensterläden hereinschlängelten. Ben fragte sich, ob er daran wohl nach oben klettern konnte. Sie schienen nicht so stabil wie die dicken Lianen im Dschungel zu sein, aber er war auch nicht besonders schwer – möglicherweise hielten sie seinem Gewicht stand.
Ben schlug einige Latten der Fensterläden ein, lehnte sich nach draußen und griff nach einer Handvoll der kriechenden Ranken. Er zog daran und verspürte Zuversicht. Allerdings nur so lange, bis er sich vom Boden löste: Die Kletterpflanzen zerrissen sofort in seinen Händen.
Er stolperte, und seine rechte Hand knallte gegen die Unterseite des Fensterbretts.
Er stöhnte auf, als der Schmerz durch seinen Körper schoss.
Als er sich wieder gefangen hatte, rappelte er sich auf und rieb sich die Seite. Er wusste, dass er eine andere Möglichkeit finden musste.
Und er fand sie recht schnell, als er an einen anderen seiner Lieblingssuperhelden dachte.
Er hastete die Treppe zurück nach unten.
20 Minuten später war er wieder im Glockenturm und schleifte eine lange Kletterpflanze aus dem Dschungel hinter sich her. An einem Ende hatte er eine Spitzhacke befestigt, die aus dem Schuppen hinter dem Pfarrhaus stammte. Das alte Ding war ziemlich schwer, besaß einen soliden Holzgriff und ein angeschlagenes, schmutziges Blatt.
Mit der Spitzhacke schlug Ben auch den Rest der Fensterläden kaputt. Dann hielt er das Werkzeug mit der rechten Hand fest, packte mit der Linken die Kletterpflanze direkt unterhalb des Stiels und lehnte sich aus dem Fenster.
Besonders weit ausholen konnte er nicht. Er fragte sich, ob es wohl besser war, die Hacke an einer längeren Kletterpflanze zu befestigen und sich an den Fuß des Turms zu stellen.
Ich probier’s zuerst so. Wenn das nicht klappt – und wenn ich mir mit der Spitzhacke kein Loch in den Schädel haue –, versuch ich mein Glück noch mal vom Boden aus.
Er pendelte ein paarmal vor und zurück und bei der dritten Abwärtsbewegung ließ er die Spitzhacke los und schleuderte sie mit Schwung in Richtung Dach.
Er wartete ein paar angespannte Augenblicke ab. Instinktiv spürte er, dass er nicht genügend Kraft in den Wurf gelegt hatte. Und tatsächlich: Als er merkte, wie die Spitzhacke wieder herunterfiel, duckte er sich zurück in den Turm und stützte sich ab, indem er die Füße gegen die Mauer stemmte.
Er umfasste die Liane mit beiden Händen und sah zu, wie die Hacke am Fenster vorbeisegelte. Er spannte seinen Körper an, und als die Spitzhacke ihren tiefsten Punkt erreichte, spürte Ben einen starken Ruck und fürchtete für einen Moment, aus dem
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