Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
keine Ahnung, was sie durchgemacht oder was sie gesehen hat …
»Das ist Grace. Ich führe sie rum und dann wollen wir ein paar Früchte und Kräuter sammeln.«
»Hi«, grüßte Lucy.
»Hi«, flüsterte Grace.
»Grace wohnt ab jetzt bei uns.«
Lucy zuckte mit den Schultern. »Okay. Tschüss, dann«, sagte sie und hüpfte davon.
Maddy drehte sich zu Grace um. »Das war meine kleine Schwester Lucy.«
»Sie ist sehr hübsch«, meinte Grace. »Sie sieht genauso aus wie du.«
Maddy lächelte. »Danke.« Sie hob ihren Eimer auf. »Bist du bereit, mir beim Beerenpflücken zu helfen?«
Grace nickte.
»Gut. Okay, mir nach.«
Maddy führte Grace in den vorderen Bereich des Supermarkts, schob sie durch den dichteren Dschungel und schlängelte sich an den wenigen verbliebenen Kassen vorbei.
»Hi, Frank«, grüßte Maddy.
Frank, einer der Wachmänner der Anlage, war ein großer, kräftiger Mann im mittleren Alter mit angegrautem Haar, breiten Schultern, einem dicken Nacken und kleinen Augen. Er nickte Maddy zu und schenkte Grace ein Lächeln. »Hallo. Na, wie heißt du denn?«
Grace senkte ihren Blick und blieb stumm.
»Grace«, antwortete Maddy. »Sie hilft mir draußen ein bisschen.«
»Verstehe.«
Frank sprang von dem Baumstamm auf, auf dem er gesessen hatte, und zog die dicken Äste zur Seite, die als Riegel vor den Türen lagen.
Von den beiden ursprünglichen Eingängen des Supermarkts war nur noch einer intakt und passierbar. Den anderen Eingang am hinteren Ende hatte es erwischt, als eine Eberesche – Bills Esche – mitten durch die Türen geschossen kam und dabei auch einen Teil der Wände und das Dach zum Einsturz brachte. Abgesehen von dem mächtigen Stamm des Baums, der den Durchgang in der Nähe des ehemaligen Spirituosenladens versperrte, befand sich direkt davor ein riesiger Schutthaufen. Es war unmöglich, an dieser Stelle hinein- oder hinauszugelangen.
Der Eingang, den sie jetzt passierten, war jedoch unversehrt geblieben und hatte den schweren Schlag überlebt, den der Supermarkt mit Anbruch der neuen Welt erlitten hatte. Bemerkenswerterweise waren weder die beiden Glastüren noch die gläsernen Schaukästen an den Wänden zerbrochen. Abgesehen davon, dass die elektrischen Türen manuell betrieben werden mussten, seit es keinen Strom mehr gab, konnte man ihn noch einwandfrei benutzen. Er bot den einzigen Weg ins beziehungsweise aus dem Asyl. Sämtliche großen Löcher in den Wänden und alle Fenster waren entweder mit schweren Supermarktregalen verbarrikadiert oder mit Ästen und Farnwedeln verdeckt worden, mit Kletterpflanzen zusammengebunden und als provisorische Fensterläden vor die Löcher gehängt.
Seit jedoch Gangs und kriminelle Einzelgänger durch den Dschungel streiften und nach Diebesgut und unschuldigen Menschen suchten, denen sie Schaden zufügen konnten, musste der Eingang verrammelt bleiben. Auch wenn die Tür über ein stabiles Schloss verfügte, hatte der Rat zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für nötig befunden. Daher hatten sie den Eingang mit übergroßen Pflöcken verstärkt, die zwischen die Ränder der beiden geschlossenen Türen und die Wände passten. Sie fungierten als zwei dicke Arme und hielten die Türen fest verschlossen. Dadurch war es so gut wie unmöglich, sie aufzustemmen.
Als Frank die Äste entfernt hatte, legte er den Stift um, der die Türen entriegelte, und schob sie gerade so weit auf, dass Maddy und Grace hindurchpassten.
Maddy ging zu den Speeren hinüber, die gegen die Wand gelehnt standen, und schnappte sich einen davon. Dann drehte sie sich um und kam zurück zu Grace.
»Vergiss die Pfeifen nicht«, erinnerte Frank sie. Sein mächtiger Körper füllte den Durchgang komplett aus.
»Ups, die hätte ich wirklich fast vergessen.«
Maddy drehte sich zu der kleinen Pfeifensammlung um – von Gott weiß wo zusammengetragen – und nahm sich zwei. Sie hängte eine davon Grace um den Hals und die andere um ihren eigenen. Die Plastikpfeife ruhte zwischen ihren Brüsten. »Die sollen wir benutzen, wenn wir uns verlaufen oder sehen, dass Ärger im Anmarsch ist. Aber du bleibst sowieso die ganze Zeit bei mir, stimmt’s, Grace?«
Grace, auf deren Gesicht nun ein leicht ängstlicher Ausdruck lag, nickte.
»Mach dir keine Sorgen. Es wird dir Spaß machen.« Maddy ging voraus und gemeinsam spazierten sie nach draußen.
»Seid vorsichtig«, mahnte Frank und schloss die Türen. Maddy hörte das Klicken des Riegels, gefolgt vom Geräusch der Balken, die
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