Die Verdammten: Endzeit-Thriller (German Edition)
ein fantastischer Film, verdammt noch mal. Ich muss den mindestens zehnmal gesehen haben.« Er schaute auf das Cover: Dustin Hoffmans gelehrt wirkendes Gesicht starrte ihn durch zerbrochene Brillengläser an. »Wir brauchen jemanden, der David Sumner spielen kann, und für Amy müssen wir das hübscheste Mädchen aussuchen, das wir haben. Oh, und wir müssen eine Brille auftreiben.« Sein Herz pochte wie wild und sein Hirn arbeitete auf Hochtouren. »Trägt hier irgendjemand ʼne Brille?«
Craig zuckte mit den Schultern. »Ich glaub nicht. Ich kann mich nicht so genau erinnern. Also, äh, in diesem Film, worum geht’s da eigentlich?«
»Was denkst du wohl, bei dem Titel? Es geht um Gewalt«, antwortete Mark mit einem Grinsen. »Um Sex und Gewalt.«
Craig strahlte.
»Und um Rache. Craig, mein Freund, wie würde es dir gefallen, einen der Arbeiter zu spielen?«
Craigs Lächeln erstarb. »Einen Arbeiter? Das klingt nicht besonders aufregend.«
»Oh, aber dieser Bauarbeiter ist die beste Figur im ganzen Film. Er vergewaltigt das Mädchen, das dann einen Racheplan in Gang setzt.«
»Vergewaltigung?«
Mark nickte.
Craigs Grinsen kehrte zurück. »Das klingt ja noch besser als Travis Bickle!«
»Oh, das ist es auch. Ich glaube, den anderen wird dieses Stück wirklich gefallen. Ich mach mich am besten sofort an die Arbeit.«
»Bevor du das tust, dachte ich, du solltest wissen, dass eins der Mädchen tot ist.«
Mark spürte ein ungutes Gefühl im Magen. »Doch wohl nicht eins von den Hübscheren, hoffe ich? Verdammt, ich brauche jemand Hübsches für die Susan-George-Rolle.«
»Ich weiß es nicht. Alles, was Damien gesagt hat, war, dass eine von ihnen tot ist und dass ich es dir sagen soll.«
Mark seufzte. »Okay, ich geh mal nachsehen.«
»Der Bauarbeiter«, sagte Craig und wandte sich ab. »Mann, ich kann’s echt kaum erwarten, den Bauarbeiter zu spielen.«
Mark, der noch immer die DVD-Hülle in der Hand hielt, trottete durch das zerstörte Innere der Videothek, die allerdings kaum noch Ähnlichkeit mit einem Laden aufwies. Neben den DVDs und der Handvoll zerrissener Poster von Pornofilmen, die an den wenigen noch aufrechten Wänden hingen, war von der riesigen Blockbuster-Filiale nichts mehr übrig: Schokolade und Lutscher? Längst aufgefuttert. Die Fernseher, auf denen früher die Neuerscheinungen in Endlosschleife liefen? Schwarz und leblos.
Auch der typische Geruch einer Videothek – ein wenig muffig, mit einem Hauch von Plastik – lag nicht länger in der Luft. Allerdings war dieser Geruch in früheren Zeiten ohnehin dominanter gewesen, als in den Regalen tatsächlich noch Videokassetten gestanden hatten. Nun war der Blockbuster nur noch eines von vielen zerstörten Gebäuden, die keinen anderen Zweck mehr erfüllten als den eines Unterschlupfs.
Mark kämpfte sich durch die dichten Farnwedel und wurde vom Rascheln trockener Blätter und dem Knacken alter Knochen begleitet. Im Gegensatz zu ihren Nachbarn am anderen Ufer des Flusses hatten sie sich nicht die Mühe gemacht, die Vegetation im Inneren des Gebäudes zu entfernen. Dazu bestand kein Grund. Hier schlief jeder, wo er wollte, und ging zur Toilette, wo es ihm passte. Es war eine freie Gesellschaft – man aß, was man fing, und teilte so viel oder so wenig Essen mit den anderen, wie man für angemessen hielt.
Hier gab es keine Freibriefe. Ob man lebte oder starb, hing von einem selber ab. Mark war keine sehr mitfühlende Seele, er empfand keine Liebe für diese Männer. So, wie er es sah, kämpfte jeder für sich allein. Die rund ein Dutzend Männer, die in der Anlage lebten, waren nichts weiter als eine Gruppe Gleichgesinnter. Keine Gemeinschaft und keine Familie – zumindest nicht so, wie Bill und seine Gruppe es für sich beanspruchten. Sie kümmerten sich weniger umeinander, sondern tolerierten sich eher gegenseitig.
Das Einzige, was sie miteinander verband, war der Wunsch, frei zu sein: frei von den Einschränkungen des Lebens in diesem verdammten Supermarkt. All seinen Besitz an die Cafeteria oder den Trödelladen abzugeben, das gesamte Essen und die Vorräte mit den anderen zu teilen und jedem zu helfen, der in die Zuflucht stolperte, ganz gleich, wie krank oder nutzlos er war – Mark hatte all das so sattgehabt. Dort drüben spielte es keine Rolle, wie viel oder wie wenig man arbeitete, alle erhielten dieselbe Ration. Drauf geschissen. Er sehnte sich nach einem besseren Leben, einem gerechteren Leben. Er wollte sich nicht länger
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