Die Verfluchten
bitten, sich das
abzugewöhnen, zumindest solange sie in seiner Nähe war.
»Und was tun wir, wenn sie nicht zurückkommt?«, grollte Abu
Dun. »Hier stehen bleiben und auf Faruks Männer warten?«
»Wenn sie das wollte, hätte sie schon vorhin verschwinden können,
meinst du nicht?«, erwiderte Andrej. Dem konnte Abu Dun nicht viel
entgegensetzen, und so beließ er es bei einem ärgerlichen Blick und
einem Naserümpfen. Doch Andrej selbst war nicht so überzeugt von
seinen eigenen Worten, wie er vorgab. Abu Duns Misstrauen wirkte
anscheinend allmählich ansteckend.
Andrej wandte sich mit einem Ruck ab und verbot es sich, auch nur
einen einzigen weiteren Gedanken des Misstrauens zu hegen. Stattdessen zwang er sich, sich in Geduld zu üben, bis Meruhe zurück
war.
Es wurde tatsächlich eine harte Geduldsprobe.
Meruhe blieb lange fort. Andrejs Unruhe nahm in gleichem Maße
zu, in dem der Lärm und das Geschrei, die aus dem Garnisonsgebäude herüberwehten, lauter wurden. Einmal näherte sich der Hufschlag
so bedrohlich, dass Andrej davon überzeugt war, dass man sie entdeckt hatte, brach dann aber im allerletzten Moment wieder ab. Auch
Abu Dun begann sichtlich unruhig zu werden. Endlich aber tauchte
Meruhe wieder aus der Dunkelheit auf, und in ihrer Begleitung befanden sich drei…
Andrej ächzte. »Kamele?«
»Ochsen waren nicht zu bekommen«, antwortete Meruhe ernst.
»Außerdem wären sie ziemlich unpraktisch gewesen. Zu langsam.«
Andrej starrte das riesige Kamel an, das Meruhe am Zügel hielt und
das seinen Blick gelangweilt wiederkäuend erwiderte. Hinter ihm
hatte Abu Dun immer größere Mühe, ein schadenfrohes Grinsen zu
unterdrücken. »Aber… Kamele?«, murmelte er noch einmal. Er hasste Kamele. »Wieso keine Pferde?«
»Weil wir quer durch die Wüste müssen«, gab Meruhe zurück.
»Außerdem sind Kamele schneller, wenn es darauf ankommt.«
Andrej hielt das für ausgemachten Unsinn, verzichtete aber darauf,
das auszusprechen, sondern blickte das Kamel weiter mit gemischten
Gefühlen an. Andrej konnte sich nicht erinnern, jemals ein hässlicheres Kamel gesehen zu haben. Das Tier erwiderte seinen Blick
stumpfsinnig und sabberte noch heftiger. Andrej war sicher, ein tückisches Funkeln in seinen Augen zu sehen.
»Willst du das arme Tier jetzt weiter anstarren, oder brechen wir
auf?«, fragte Meruhe mit einen Kopfbewegung in Richtung des Garnisonsgebäudes. »Sie werden nicht ewig abgelenkt sein.«
Abu Dun griff nach dem Zügel eines der Kamele, und auch Andrej
nahm zögernd neben einem anderen Aufstellung, das Meruhe anscheinend für ihn ausgesucht hatte. Er war jetzt sicher, dass das Vieh
ihn heimtückisch musterte.
»Wie kommen wir an den Wachen vorbei?«, fragte Abu Dun, während sie sich dem geschlossenen Tor näherten. Andrej konnte die
Atemzuge von zwei Männern hören, die im Schatten des gewaltigen
Tores standen und wahrscheinlich neugierig in die Richtung blickten,
aus der der Lärm und das Waffengeklirr kamen.
Unglückseligerweise war es genau ihre Richtung.
»Es sind nur zwei«, sagte Abu Dun leise. »Lasst mich das erledigen.«
»Ja, ich kann mir auch vorstellen, wie«, erwiderte Meruhe. Sie
drückte Abu Dun den Zügel ihres Kamels in die Hand und eilte mit
raschen Schritten voraus, bevor der Nubier sie noch daran hindern
konnte. Andrej hörte, wie ihr einer der Posten etwas zurief und Meruhe mit einem hellen Lachen darauf antwortete, dann verschwand
auch sie im Schatten des Torgewölbes. Nur einen Moment später
hörte er ein Klatschen und ein dumpfes, lang gezogenes Seufzen. Die
beiden Gardisten lagen reglos am Boden, als Abu Dun und er das Tor
erreichten.
»Aha«, sagte Abu Dun und zog spöttisch die Augenbrauen hoch.
»Und wo ist nun der Unterschied zwischen deiner Methode und meiner?«
»Der liegt darin, dass sie noch leben.« Ohne ihr die geringste Anstrengung anzusehen, wuchtete Meruhe den schweren Riegel beiseite
und begann einen der Torflügel aufzuziehen.
»Ja«, grollte Abu Dun. »Zumindest noch so lange, bis Faruk erfährt, dass wir entkommen sind. Er wird sie hinrichten lassen.«
»Willst du hier bleiben und ihm erklären, dass sie keine Schuld
trifft?«, erkundigte sich Meruhe spitz. Sie hatte das Tor weit genug
geöffnet, um ihr Kamel hindurchzubugsieren, und gab ihnen mit einem ungeduldigen Wink zu verstehen, dass sie dasselbe tun sollten.
Andrej beeilte sich, ihrer Aufforderung nachzukommen, aber er
musste Abu Dun im Stillen Recht geben.
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