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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vieles schneller sie sich mit ausgeruhten Tieren auch bewegen mochten,
sie hatten einen gewaltigen Umweg gemacht, und sie würden noch
einmal kostbare Zeit verlieren, wenn sie den Fluss das zweite Mal
überquerten.
    »Wenn sie wieder aufgebrochen sind, worauf warten wir dann
noch?«, fragte er.
Meruhe riss ihren Blick mit einiger Mühe vom Fluss los und sah
ihn auf sonderbare Weise an. »Warum sprichst du nicht aus, was du
wirklich wissen willst? Warum wir nicht schon lange weitergeritten
sind?«
Andrej wollte antworten, doch sie kam ihm zuvor. »Du willst nicht,
dass ich in deinen Gedanken lese. Dann solltest du auch aufhören,
nur noch in halben Sätzen zu sprechen und vorauszusetzen, dass ich
es insgeheim doch tue.«
Andrej war nun völlig verwirrt, doch der Ausdruck von Unmut verschwand ebenso rasch wieder von Meruhes Gesicht, wie er darauf
erschienen war. Sie fuhr, jetzt in erklärendem Ton und mit einer Geste zur Karawanserei, fort. »Der Händler, nach dem ich geschickt habe, ist erst heute Morgen gekommen. In diesem Teil des Landes leben nicht allzu viele Menschen, und noch sehr viel weniger, denen
ich vertrauen kann.«
Fast gegen seinen Willen wandte Andrej sich noch einmal um und
sah zu dem hoch gewachsenen Burschen hin, mit dem Abu Dun immer noch heftig feilschte. Er wusste nicht, wer er war, doch er sah
weder so aus noch hatte Andrej das Gefühl, dass man ihm vertrauen konnte.
»Du hast völlig Recht«, sagte Meruhe. »Man kann ihm nicht vertrauen. Er hat nicht nur vor, uns zu übervorteilen, er wird auch sofort
einen Boten auf die andere Seite und hinter Faruks Truppen herschicken, um uns an sie zu verraten, weil er sich eine Belohnung verspricht.« Wieder erschien ein flüchtiges Lächeln auf ihrem Gesicht,
das diesmal beinahe spitzbübisch wirkte. »Du siehst, manchmal hat
es durchaus Vorteile, hinter die Stirn eines anderen blicken zu können.«
Andrej blieb ernst. »Und du lässt Abu Dun trotzdem mit ihm verhandeln?«
»Oh, keine Sorge«, antwortete Meruhe lächelnd. »Er wird mit dem
Gefühl von hier weggehen, es mit drei ausgesprochenen Dummköpfen zu tun gehabt zu haben, die er nach Kräften ausgenommen hat.«
Sie nickte bekräftigend, als sie seinen zweifelnden Blick bemerkte.
»Er wird sogar glauben, ein ganz ausgezeichnetes Geschäft gemacht
zu haben, vertrau mir. So ausgezeichnet, dass er ganz vergisst, jemanden zu Faruk zu schicken. Wer weiß«, fügte sie nach einer Pause
und mit spöttischem Funkeln in den Augen hinzu, »möglicherweise
wird er, noch bevor er zu Hause angekommen ist, sogar vergessen
haben, dass er überhaupt einmal Kamele gehabt hat.«
»Ich verstehe«, murmelte Andrej. Das entsprach nicht ganz der
Wahrheit. Er hatte das Gefühl, durchaus verstehen zu können, was
Meruhe ihm zu sagen versuchte, aber wenn er ehrlich war, dann
wollte er es gar nicht. In diesem Moment machte sie ihm fast Angst.
»Keine Sorge«, sagte sie, plötzlich wieder mit großem Ernst. »So
etwas würde ich dir niemals antun. Ich könnte es gar nicht.«
»Weil ich ein so ehrlicher Mensch bin?«, fragte Andrej. Es sollte
ein Scherz sein, doch er hörte selbst, wie stark seine Stimme zitterte.
»Ja«, erwiderte Meruhe. »Ich kann niemanden zwingen, Dinge zu
tun, die er nicht auch freiwillig täte. Einen Lügner dazu zu bringen,
sich selbst zu belügen, ist leicht. Bei einem, der aufrichtig ist, ist es
unmöglich.«
Andrej glaubte ihr, schon, weil er es glauben wollte, aber er fuhr
dennoch halblaut und mit einer fahrigen Geste fort: »Ich wäre dir
trotzdem dankbar, wenn du damit aufhören würdest. Ich… mag es
nicht.«
»Wenn ich deine Gedanken lese.« Meruhe nickte. »Ja, du hast
Recht. Verzeih.« Sie rettete sich in ein verlegenes Lächeln.
»Manchmal sind schlechte Angewohnheiten hartnäckig, weißt du?
Aber ich gelobe Besserung. Nimm es so lange als Kompliment.« Sie
blinzelte ihm zu. »Ich hätte mich gewiss nicht mit dir eingelassen,
wenn ich nicht wüsste, dass du der Richtige bist.«
Das war ein Kompliment, vielleicht sogar das ehrlichste, das man
einem Menschen machen konnte, und trotzdem gab es Andrejs Unbehagen nur noch neue Nahrung. »Ja, sicher.« Er sah noch einmal in
die Richtung, in die Meruhe die ganze Zeit über geblickt hatte, dann
drehte er sich unbehaglich um und wies wieder zur Karawanserei
zurück. »Sind der Wirt und seine Bediensteten auch schlechte Menschen?«
»Wieso?«, fragte Meruhe verwirrt.
»Wenn ja, könntest du sie vielleicht dazu

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