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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurück, sodass sie sich schon nach wenigen Augenblicken durch ein
Meer aus vollkommener Schwärze bewegten, die das flackernde
Licht der Fackel nur mit Mühe zu erhellen vermochte. Sand knirschte
unter ihren Stiefeln, und in der Luft lag der Geruch nach Alter, verbunden mit einem sonderbar metallischen Beigeschmack, den Andrej
nicht genau einordnen konnte. Er war beinahe froh, dass es zu dunkel
war, um ihre Umgebung deutlich zu erkennen.
»Was war das hier einmal?«, wollte Abu Dun wissen. »Ein Tempel?«
»Ist ein Tempel kein Tempel mehr, nur weil niemand mehr kommt,
um darin zu beten?«, fragte Meruhe. Sie sprach so leise, als hätte sie
Angst, irgendetwas zu wecken, wenn sie zu laut redete.
Aber vielleicht fürchtete sie ja auch nur, dass ihnen die ganze
Bruchbude über den Köpfen zusammenbrechen würde, wenn sie ein
unvorhergesehenes Geräusch machte.
Es dauerte lange, bis sie das gegenüberliegende Ende des Raumes
erreichten, was Andrej eine erste, ungefähre Vorstellung von der
Größe dieses untergegangenen Tempels vermittelte. Vor ihnen lag
eine schmale, steil nach unten führende Treppe, die Meruhe ohne zu
zögern hinabging. Andrej folgte ihr so dicht, wie er es gerade noch
konnte, ohne dabei Gefahr zu laufen, sich an ihrer Fackel zu
verbrennen, und auch Abu Dun blieb so nahe hinter ihm, dass er dessen Atemzüge im Nacken spüren konnte. Er versuchte die Treppenstufen zu zählen, kam aber rasch durcheinander und gab es schließlich auf. Der sonderbare Geruch in der Luft wurde stärker, die Luft
selbst zugleich aber auch schlechter. Hier unten war sicherlich seit
langer Zeit kein Mensch mehr gewesen, aber irgendetwas… war hier. Bis vor kurzer Zeit, oder noch immer. Es war ein irritierendes
Gefühl. Andrej gestand sich ein, dass ihm diese Tempelruine Angst
zu machen begann.
Am Fuß der Treppe angekommen, erwartete sie ein schmaler, aber
sehr hoher Gang, dessen Wände sich weit über ihren Köpfen gegeneinander neigten. Im zuckenden Licht von Meruhes Fackel konnte er
unheimliche Symbole, Schriftzeichen und Bilder erkennen, die in
den nackten Stein der Wände eingemeißelt waren. Manches davon
kam ihm vage bekannt vor und ähnelte der Bilderschrift, die die
Menschen zur Zeit der Pharaonen in diesem Land benutzt hatten,
anderes wiederum erschien ihm völlig fremdartig, vieles erschreckend. Es gab Symbole, die ihn an die erinnerten, die sie auf den
Wänden des vermeintlichen Zikkurats gesehen hatten. Vielleicht waren sie ihnen nicht einmal ähnlich, doch sie strahlten denselben Odem von Alter und etwas Verbotenem aus, wie er ihn dort wahrzunehmen gemeint hatte.
Sie kamen an mehreren Abzweigungen vorbei, die Meruhe allesamt
ignorierte, dann ging es über eine weitere Treppe noch tiefer hinunter. Weiter durch einen gewaltigen Raum, in dem sich das Licht der
Fackel in alle Richtungen verlor und dessen Größe ihm nur anhand
des hallenden Echos bewusst wurde, das ihre Schritte verursachten.
Sie kamen in eine nicht minder gewaltige Halle, deren unsichtbare
Decke von mehr als mannsdicken Säulen getragen wurde, die wie ein
steinerner Wald rings um sie herum aufragten, und wieder über eine
Treppe und durch weitere Gänge und Flure. Selbst ohne Meruhes
Warnung hätte er nun streng darauf geachtet, immer so nahe bei ihr
zu bleiben, wie es nur ging. Es war ein Labyrinth, in dem er längst
die Orientierung verloren hatte. Sollten sie den Anschluss an Meruhe
verlieren oder gar ihre Fackel erlöschen, dann befanden sie sich in
Gefahr, denn dann würden ihnen möglicherweise nicht einmal ihre
übermenschlich scharfen Sinne dabei helfen, wieder herauszukommen.
Hätte Andrej es tief in seinem Innern nicht schon längst getan, er
hätte spätestens in diesem Moment angefangen, daran zu glauben,
dass man das Unglück durchaus heraufbeschwören konnte, wenn
man nur intensiv genug daran dachte, denn Meruhe blieb stehen, hob
die Fackel ein wenig höher und sah sich unschlüssig nach rechts und
links um. Ein ratloser, vielleicht auch besorgter Ausdruck erschien
auf ihrem Gesicht.
»Sag jetzt bitte nicht, dass du dich verirrt hast«, sagte Abu Dun hinter ihm. Er gab sich alle Mühe, seine Stimme ebenso spöttisch wie
abfällig klingen zu lassen, aber das Zittern darin entging Andrej keineswegs.
»Nein«, gab Meruhe zurück. »Ich weiß auf jeden Fall noch, wie wir
hier herauskommen, wenn du das meinst. Aber ich bin nicht sicher…«
»… wie es weitergeht?«, führte Abu Dun den Satz zu

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