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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Haut der Kreatur war zur Farbe und Brüchigkeit uralten Leders
zusammengeschrumpft, zumindest da, wo sie noch nicht so verdorrt
war, dass Fleischfetzen oder blanke Knochen durch die zerfetzte
Kleidung schimmerten. Aus seinen leeren Augenhöhlen rieselte
Sand, als der Untote versuchte, sich zu seiner ganzen Größe aufzurichten, was ihm durch seine groteske Entstellung nicht gelingen
wollte. Soweit sich die fauligen Fetzen, in die er gehüllt war, überhaupt noch identifizieren ließen, trug er eine Art kurzen Rock, der
aus schmalen Lederstreifen gefertigt war, primitive Schnürsandalen
und die Reste eines aus Kupfer oder Bronzeplättchen gearbeiteten
Harnischs. Seine linke Hand fehlte fast zur Gänze und bestand nur
noch aus dem kleinen und dem abgebrochenen Rest des Ringfingers
und ein paar lose schlackernden Fleischfetzen; die andere war nicht
nur besser erhalten, sondern umklammerte auch ein schartiges, sonderbar geformtes Schwert.
Und dieses Grauen erregende Geschöpf war nicht allein. Andrejs
Herz macht einen erschrockenen Sprung bis in seine Kehle, wo es
mit zehnfacher Schnelligkeit weiterzuhämmern schien, als sich der
Untote umdrehte und seine leeren Augen für einen schrecklichen
Moment direkt in seine Richtung zu blicken schienen. Dann aber
stemmte es seinen missgestalteten Körper abermals herum und humpelte mit verzerrten, dennoch aber sehr schnellen Bewegungen auf
Faruk zu. Nur ein kleines Stück neben der Stelle, an der der Untote
aus der Erde gekommen war, wühlten sich zwei fast zum Skelett abgemagerte Hände aus dem Sand. Auch überall rings um sie herum
schien der Boden zu kochen, und es bohrten sich rostige Schwertspitzen, von zerfetzter Haut eingehüllte Skeletthände und augenlose
Schädel hervor, als hätte sich die Wüste von einem Moment zum
anderen entschieden, jeden einzelnen Toten wieder freizugeben, den
sie über all die Jahrtausende verschlungen hatte.
Ganz plötzlich begriff er, was Meruhe getan hatte.
Ich hatte keine andere Wahl, wisperte ihre Stimme in seinen Gedanken. Laut schrie sie: »In die Höhle! Schnell!«
Zunächst dachte Andrej, die Worte würden Abu Dun und ihm gelten, dann aber wurde ihm klar, dass Meruhe so laut geschrien hatte,
wie sie nur konnte. Sie stand immer noch nahezu reglos da, das unheimliche Amulett mit dem Sonnensymbol in beiden Händen haltend
und mit demselben konzentrierten Ausdruck auf dem Gesicht, aber
etwas hatte sich verändert. Er konnte jetzt so wenig wie zuvor sagen,
was sie tat, aber er spürte, wie ihr Wille hinausgriff und irgendetwas
berührte. Immer mehr Untote wühlten sich aus dem Sand unmittelbar
vor dem Höhleneingang und auch aus dem freien Stück zwischen
ihnen und Faruks in Auflösung befindlicher Armee - und offensichtlich auch aus dem Boden unter den Kriegern des Emirs. Der Chor
aus gellenden Schmerz- und Entsetzensschreien nahm zu, und jetzt
hörte er auch das lauter werdende Klirren von Waffen, die aufeinander schlugen.
Mit einem Mal wurde überall gekämpft. Der riesige Untote, den
Andrej als Ersten gesehen hatte, hatte Faruk mittlerweile fast erreicht. Das Pferd des Emirs bäumte sich immer wieder auf und versuchte abwechselnd, auszubrechen oder seinen Herrn abzuwerfen,
doch Faruk brach den Willen des Tieres mit einer einzigen brutalen
Bewegung, hielt plötzlich ein Schwert in der Hand und hieb damit
auf den unheimlichen Angreifer ein. Mit einer Schnelligkeit, die Andrej einem solch verunstalteten Wesen niemals zugetraut hätte, wehrte der Untote den Angriff mit seiner eigenen Waffe ab, doch Faruks
Schwert traf sein Ziel trotzdem. Der Krummsäbel des Emirs
zerschmetterte die tausend Jahre alte Waffe wie sprödes Glas, bewegte sich nahezu ungebremst weiter und traf die Schulter des Untoten mit solcher Gewalt, dass er seinen Arm abtrennte. Trotzdem torkelte das grässliche Geschöpf weiter, griff mit der anderen Hand
nach dem Zaumzeug des Pferdes und rang das Tier ohne sichtbare
Anstrengung nieder. Das Letzte, was Andrej von Faruk sah, waren
seine verzweifelt hochgerissenen Arme, als er unter dem zusammenbrechenden Tier begraben wurde und sich der Untote über ihn beugte.
Überall ringsum wurde gekämpft. Das gerade noch so ruhig daliegende Tal hatte sich in einen lebendig gewordenen Albtraum verwandelt, in dem Menschen gegen lebende Leichname kämpften und
die Wüste immer noch mehr Tote ausspie, manche von ihnen nahezu
unversehrt, viele aber auf schreckliche Weise verstümmelt und verkrüppelt und

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