Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
unübersehbar.
Seth und die vier anderen Unsterblichen.
»Du hattest Recht, Andrej«, sagte Meruhe bitter. »Seth weiß, dass
meine Kraft nicht ausreicht, die Gefangenen zu befreien und diesen
Ort zu schützen. Er stellt mich vor die Wahl.«
Eine Wahl, die sie unmöglich treffen konnte, dachte Andrej schaudernd. Sie hatte geschworen, diesen Ort zu beschützen, und sie erfüllte diese Aufgabe offensichtlich seit Jahrhunderten, aber sie hatte
auch geschworen, ihre schützende Hand über die Menschen ihres
Dorf zu halten. Wie konnte der Unsterbliche so grausam sein, diese
Entscheidung von ihr zu fordern? Andrej fragte sich, ob das der Preis
war, den man am Ende zahlte, um Jahrtausende zu leben, nicht nur
wenige Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Wenn dem so war, dachte er,
war es diesen Preis vielleicht nicht wert.
Sie sind nicht alle so, Andrej, flüsterte Meruhes Stimme in seinen
Gedanken.
Seth ist es, antwortete Andrej auf dieselbe, lautlose Art. Und was
wirst du tun?
»Vielleicht gibt es noch eine dritte Möglichkeit«, murmelte Meruhe. »Auch, wenn ich nicht sicher bin, ob sie die richtige Wahl wäre.«
Mühsam löste sie ihren Blick von der langsam näher kommenden
Kette aneinander gebundener, verängstigter Dorfbewohner und
wandte sich ganz zu Abu Dun und ihm um. »Ich bitte euch noch
einmal, zu gehen. Das ist nicht euer Kampf. Ich weiß, dass du es ehrlich meinst, Andrej, genau wie du, Abu Dun. Aber ihr könnt mir
nicht helfen. Ihr könnt nur einen sinnlosen Tod finden.«
Aber wenn ich jetzt davonlaufe und dich im Stich lasse, welchen
Sinn hat mein Leben dann noch?, dachte Andrej.
Meruhes Blick wurde sanft. Das ist romantischer Unsinn, und das
weißt du auch.
Das stimmte wahrscheinlich. Unglücklicherweise aber war das, was
die meisten Menschen im Allgemeinen als romantischen Unsinn bezeichneten, vielleicht auch gerade das, was den Unterschied zwischen Männern wie ihm und Abu Dun und Seth und den anderen
Unsterblichen ausmachte. Er schwieg.
»Also gut«, gab sich Meruhe geschlagen. »Wirst du mir versprechen, nicht unnötig den Helden zu spielen, Andrej?«
»Ich spiele ihn nicht«, erwiderte Andrej in beleidigt klingendem
Tonfall, aber Meruhe blieb ernst.
»Wenn ich versagen sollte oder wir unterliegen«, fuhr sie fort,
»zieht euch in die Grabkammer zurück. Nicht die große Kammer, in
der Ramses’ Sarkophag steht. Die kleinere, die ich dir gezeigt habe.« Mein Grab. »Unter dem Stein beginnt ein schmaler Gang. Der Block
ist zu schwer, als dass ein normaler Mensch ihn bewegen könnte,
aber ihr beide könntet es schaffen. Der Stollen ist lang und sehr eng.
Er führt ins Freie. Wirst du mir versprechen, ihn zu benutzen, wenn
ich versage oder etwas…« Sie sprach nicht weiter, doch als Andrej
nickte, und sie in seinen Gedanken las, dass er dieses Versprechen
ernst meinte - zumindest in diesem Moment - wandte sie sich
schließlich wieder dem Ausgang zu.
Auch Faruks Heer, das sich langsamer, aber mit gespenstischer
Lautlosigkeit bewegte, war mittlerweile auf etwa hundert Schritte
herangekommen, sodass Andrej bereits die Gesichter der ersten
Männer erkennen konnte. Jetzt wurden sie langsamer und hielten
schließlich ganz an. Einige Sklaven brachen erschöpft zusammen,
was Andrej viel darüber verriet, wie die Männer des Emirs sie behandelt hatten, denn der Weg vom Dorfe hierher betrug nur einige
hundert Schritte und konnte ihnen unmöglich so viel Kraft geraubt
haben. Meruhes Gesicht verfinsterte sich noch weiter, doch sie sagte
nichts. Nur ihre Hand schien sich fester um das Amulett zu schließen.
Die Reihen der mit Schilden, Speeren und Schwertern bewaffneten
Männer teilten sich, um einem einzelnen Reiter Platz zu machen, der
einen prächtigen Mantel trug und auf einem ebenso prächtig aufgezäumten, riesigen weißen Araberhengst ritt. Auch, wenn Andrej sein
Gesicht nicht erkannt hätte, hätte er gewusst, dass es Faruk war. Nur
ein Stück hinter ihm erschien ein zweiter Reiter, wie er unterschiedlicher nicht hätte sein können. Er ritt eines der zähen, kleinen Ponys,
wie sie die Wüstenvölker bevorzugten, und trug einen einfachen
schwarzen Mantel, dessen weit nach vorn gezogene Kapuze sein entstelltes Gesicht in barmherzigen Schatten verbarg. Faruk drosselte
das Tempo seines Pferdes, bis Ali Jhin direkt an seiner Seite angelangt war, dann ritten sie gemeinsam weiter und hielten erst wieder
an, als sie in Hörweite waren.
»Meruhe!«, rief Faruk.
Andrej war sicher, dass

Weitere Kostenlose Bücher