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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tür lag, war in nahezu vollkommene Dunkelheit getaucht, sodass
sie nicht befürchten mussten, sofort gesehen zu werden, wenn sie das
Gebäude verließen.
    »Und nun?«, flüsterte Andrej, während sein Blick aufmerksam abwechselnd über den Hof und das große, jetzt wieder vollkommen
geschlossene Tor tastete. So, wie die Dinge lagen, war er optimistisch, dass sie ungesehen bis dorthin und auch aus der Festung hinauskommen würden, aber Abu Dun hatte offensichtlich andere Pläne, denn er schüttelte heftig den Kopf. »Es wäre unhöflich, einfach
zu gehen, ohne dem Hausherrn wenigstens Lebewohl gesagt zu haben«, murmelte er.
»Und wo finden wir ihn?«
    »Woher soll ich das wissen?«, knurrte Abu Dun. »Ich schlage vor,
wir fragen jemanden.«
Andrej sparte sich die Antwort, die ihm auf der Zunge lag. »Geh
vor«, sagte er nur.
Was Abu Dun vermutlich sowieso getan hätte, ob mit oder ohne
seine Aufforderung. Rasch und ohne dabei auch nur das mindeste
Geräusch zu verursachen hob er die zentnerschwere Tür etwas weiter
an, sodass Andrej vor ihm durch den entstandenen Spalt schlüpfen
konnte, folgte ihm dann nach draußen und tat irgendetwas, das Andrej nicht genau erkannte, bevor er die Tür wieder an ihren Platz zurückstellte.
»Du hast vergessen abzuschließen«, flüsterte Andrej ihm zu.
»Keineswegs«, gab Abu Dun zurück. »Ich habe nur dafür gesorgt,
dass der Erste, der das Schloss anrührt, eine kleine Überraschung
erlebt.«
Damit huschte er davon, und Andrej warf noch einen letzten, prüfenden Blick auf die Tür, bevor er ihm folgte. Abu Dun hatte sie
nicht wieder eingehängt, sondern so gegen die Angeln gelehnt, dass
sie bei der geringsten unvorsichtigen Berührung nach außen kippen
musste. Der Nächste, der sie von dieser Seite zu öffnen versuchte,
würde wahrscheinlich gar keine Zeit mehr haben, tatsächlich überrascht zu sein, bevor ihn die wuchtige Tür erschlug. Er war nicht
sicher, ob das klug von Abu Dun war.
Der nubische Riese huschte lautlos und geduckt an der Wand entlang, wobei er trotz der fast vollkommenen Dunkelheit streng darauf
achtete, jeden noch so winzigen Schatten als Deckung auszunutzen.
Nach ein paar Schritten erreichten sie eine weitere, einladend offen
stehende Tür, die Abu Dun aber ebenso ignorierte wie die nächste.
Stattdessen huschte er bis zur Ecke des Gebäudes, sah sich suchend
um und deutete dann auf einen halbverfallenen Turm, der sich auf
der anderen Seite des Hofes erhob. In dem obersten der Stockwerke,
die noch nicht zusammengestürzt waren, brannte Licht. Abu Dun
warf Andrej einen Blick zu, den dieser mit einem stummen Kopfnicken beantwortete. Das musste ihr Ziel sein. Auch er hätte sich diesen Turm als Hauptquartier ausgesucht, würde er über diese Festung
gebieten. Von allen erhalten gebliebenen Gebäuden war es das
höchste.
Um es zu erreichen, mussten sie den Hof durchqueren. Andrej
spielte mit dem Gedanken, in den Schatten entlangzuschleichen, die
die Mauern verhüllten. Aber das hätte bedeutet, den gesamten Hof
einmal zu umrunden, und es gab auch auf diesem Weg genügend
Stellen, die nicht in völliger Dunkelheit lagen.
Abu Dun nahm ihm die Entscheidung ab. Er richtete sich ganz auf,
straffte die Schultern und ging dann einfach los. Was im ersten Moment wie der schiere Wahnsinn aussah, das barg in Wirklichkeit
vermutlich das geringste Risiko. Selbst Andrejs scharfe Augen nahmen bei den herrschenden Lichtverhältnissen kaum etwas wahr. Jeder, der auf diesem Hof noch wach war und sie zufällig erblicken
mochte, konnte unmöglich mehr als einen Schatten erkennen, und
solange die zur Falle umfunktionierte Tür oder die verbogenen Gitterstäbe noch nicht entdeckt worden waren, würde auch niemand
damit rechnen, dass die Sklaven einen Ausbruch unternehmen würden.
Die Rechnung ging auf. Tatsächlich registrierte Andrej aus den Augenwinkeln, wie eine der müde dasitzenden Gestalten den Kopf hob
und einen Moment lang in ihre Richtung blinzelte, aber sie wurden
nicht angesprochen, und nach einem weiteren Atemzug ließ der
Mann auch wieder die Schultern sinken und döste weiter. Ein knappes Dutzend Schritte, und sie hatten den Turm erreicht.
Sein Eingang lag nicht ebenerdig, sondern in gut drei oder vier Metern Höhe am Ende einer schmalen Treppe, die sich um den Fuß des
Turms wand wie ein steinernes Schneckenhaus - eine Festung innerhalb der Festung, deren Zugang von einem einzelnen Mann leicht
gegen eine Übermacht verteidigt

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