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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in den Höhlen aus.«
»Was sind das für Höhlen?«, hakte Andrej nach. Er konnte dem
Mann ansehen, wie unangenehm ihm seine Frage war.
»Sie… führen tief in die Berge hinein, in denen unser Dorf liegt«,
antwortete er zögernd. »Es ist ein gewaltiges Labyrinth. Niemand,
der sich nicht darin auskennt, kann unsere Familien dort finden. Die
Sklavenhändler wagen es nicht, uns dort hinein zu folgen. Einmal«,
schränkte er ein, »haben sie es versucht, aber die Männer, die sie
hineingeschickt haben, sind nicht mehr herausgekommen. Nur Meruhe kennt den Weg.«
Es dauerte noch einen kurzen Moment, aber dann fiel Andrej der
Fehler in dieser Aussage auf. Abu Dun erging es offensichtlich nicht
anders, denn er runzelte die Stirn und sah den Mann betroffen an.
Andrej sagte: »Aber Meruhe ist jetzt hier.«
»Sie ist zurückgekommen, nachdem sie unsere Familien in Sicherheit gebracht hat«, antwortete der Sklave. »Sie wollte uns beim
Kampf gegen die Sklavenhändler helfen.«
»Eine Frau?«, fragte Abu Dun zweifelnd.
»Meruhe ist eine gewaltige Kriegerin«, behauptete der Mann.
»Kein Mann kann sie besiegen, wenn sie gegen ihn antritt.«
»Ja, und deshalb ist sie jetzt hier«, sagte Abu Dun spöttisch.
»Einer der Kerle hat sie hinterrücks niedergeschlagen«, erwiderte
der andere fast trotzig. »Tapferkeit und Mut helfen nicht immer gegen Heimtücke. Aber sie wird uns befreien. Sie hat uns immer beschützt, und sie wird es auch jetzt tun.«
Andrej fragte sich, was es war, was er da in der Stimme des Mannes hörte - wirkliche Zuversicht oder nur ein aus Verzweiflung geborener Mut. Er bezweifelte nicht, dass der Mann die Wahrheit sagte,
was die geheimnisvolle Fremde anging. Er hatte die Kraft gespürt,
die sie ausstrahlte, und das eingetrocknete Blut in ihrem Haar hatte
eine Geschichte erzählt, die zu der Behauptung des Sklaven passte.
Dann sprach Abu Dun die Frage aus, die auch ihm schon die ganze
Zeit über auf der Zunge gelegen hatte.
»Und wer führt eure Familien jetzt wieder aus dem Labyrinth heraus, wenn Meruhe die Einzige ist, die den Weg kennt?«
»Sie wird uns retten«, beharrte der Sklave. »Sie hat uns immer beschützt, schon viele Male, und sie wird es auch diesmal tun. Sie hat
gesagt, dass alles gut wird, und wir glauben ihr. Bitte, tut nichts, was
ihre Pläne gefährden würde. Unsere Frauen und Kinder sterben
sonst.«
Andrej warf einen langen, nachdenklichen Blick zur Treppe hin.
»Versucht nicht, uns zu folgen. Dort draußen wimmelt es von Kriegern. Sie würden euch niederschlagen, bevor ihr auch nur in die Nähe des Tores kämt.«
Der Sklave sah nicht so aus, als hätte er etwas Derartiges auch nur
vorgehabt. Er wirkte jetzt in zunehmendem Maße nervös, eindeutig
ängstlich. Sein Blick tastete unsicher über die verbogenen Gitterstäbe, dann über Abu Duns Gesicht und kehrte schließlich zu Andrej
zurück. »Aber sie… sie werden das da sehen«, sagte er. »Was sollen
wir ihnen sagen?«
»Die Wahrheit«, antwortete Andrej. »Sagt einfach, dass wir nicht
zu euch gehören. Und dass Abu Dun und ich die Gitterstäbe aufgebrochen haben und geflohen sind.«
»Nur ihr beide?« Der Sklave schüttelte zaghaft den Kopf. »Das
werden sie niemals glauben.«
»Keine Sorge«, versprach Abu Dun. »Wenn wir erst einmal weg
sind, dann glauben sie es.«
    Die Tür hatte sich als überraschend kleines Problem erwiesen. Sie
war zwar massiv genug gewesen, um vermutlich selbst den rohen
Kräften eines Abu Dun zu widerstehen, allem Anschein nach aber
irgendwann einmal zu dem Zweck gebaut worden, unerwünschte
Eindringlinge von draußen abzuhalten, was dazu geführt hatte, die
Angeln auf der Innenseite anzubringen. Abu Dun drückte die rostigen Bolzen, die so dick waren wie der Zeigefinger eines normalen
Mannes, ohne die geringste Mühe aus den Scharnieren, um dann die
gesamte Tür aus den Angeln zu heben.
    Und auch danach schien ihnen das Schicksal ausnahmsweise einmal günstig gesinnt zu sein. Auf dem Hof brannte zwar noch immer
eine Anzahl von Feuern, und nicht alle Männer hatten sich zum
Schlafen ausgestreckt. Auch das eine oder andere Murmeln drang
noch an Andrejs Ohr, und er hörte die gleichmäßigen Schritte eines
Mannes, der offensichtlich oben auf der Mauer Wache hielt. Doch
die meisten Krieger lagen reglos da. Ein allgemeines Schnarchen und
Grunzen war zu hören, dann und wann auch das Geräusch von Stoff,
wenn sich einer der Männer im Schlaf bewegte. Der Bereich, in dem
die

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