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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stimme und gegen
die offen stehende Tür gerichtet. »Abu Dun und ich kommen jetzt
raus. Und wenn ihr irgendetwas tut, was uns nicht gefällt, ist das
Nächste, was durch die Tür geflogen kommt, Ali Jhins Kopf!«
»Nichts da«, sagte Meruhe hinter ihm. »Zuerst seine Augen, dann
das, was hinter dieser lächerlich kleinen Schürze versteckt ist, und
später sein Kopf. Sehr viel später.«
Ali Jhin ächzte, und Abu Dun lachte leise.
Andrej verdrehte die Augen. Irgendwie, fand er, passten diese beiden Kindsköpfe zusammen. »Ich meine es ernst«, sagte er. »Wenn
sie uns erwischen, dann tötest du ihn.«
»Mein Wort darauf, dass ich das nicht tue«, sagte Meruhe. »Jedenfalls nicht sofort. Und jetzt geht. Mir wird allmählich der Arm
schwer, und wenn meine Hand zu sehr zittert…«
Andrej ging. Sein Herz begann ein wenig schneller zu schlagen, als
er durch die Tür trat und rasch nach rechts und links sah. Die Nacht
kam ihm dunkler vor, als sie es vorhin gewesen war, und viel kälter,
obwohl jetzt auf dem Hof wieder zahllose Feuer brannten und immer
mehr Krieger herbeigerannt kamen, die brennende Fackeln schwenkten. Natürlich war die Treppe nicht leer - damit hatte Andrej auch
nicht gerechnet - , sondern voller Krieger. Der erste stand nur zwei
Stufen unter ihm, nahe genug, um ihn mit einem raschen Schritt zu
erreichen, und auch der Ausdruck auf seinem Gesicht war nicht so
zögerlich, wie Andrej es erwartet hätte. Er schlug in pures Entsetzen
um, als Abu Dun hinter ihm aus dem Haus trat.
»Und jetzt?«, fragte Abu Dun.
Andrej deutete ein Schulterzucken an. »Zum Tor«, murmelte er.
»Aber sei vorsichtig. Tu nichts Unbedachtes.«
»Ich?«, beschwerte sich Abu Dun. »Wann hätte ich je etwas Unbedachtes getan?«
Andrej lächelte zwar flüchtig, fuhr sich aber trotzdem nervös mit
dem Handrücken über das Kinn, als sie weitergingen, wofür er sich
insgeheim verfluchte. All diese Männer waren Krieger, die ihr
Handwerk zweifellos verstanden und denen seine Nervosität nicht
entgehen konnte - und für einen Moment verspürte er etwas, was er
in dieser Form schon lange nicht mehr gefühlt hatte: Angst. Er hatte
unzählige Kämpfe geführt, auch gegen vermeintlich oder tatsächlich
überlegene Gegner. Aber es kam selten vor, dass sich Abu Dun und
er allein einer ganzen Armee gegenübersahen.
Hastig verscheuchte Andrej den Gedanken. Angst war nützlich,
zumindest bis zu einem gewissen Grad, aber er durfte sich nicht von
diesem Gefühl überwältigen lassen. Ein guter Krieger (und Andrej
zweifelte trotz aller Verachtung nicht daran, dass er guten Kriegern
gegenüberstand) ähnelte in gewisser Weise einem gut abgerichteten
Hund. Er spürte die Angst seines Gegenübers, ganz gleich, wie sorgsam jener sie zu verbergen trachtete.
Die Männer wichen im gleichen Tempo zurück, in dem Abu Dun
und er sich ihnen näherten. Oder vielleicht nicht exakt im gleichen
Tempo, wie Andrej besorgt registrierte. Am Fuß der Treppe angekommen, würden sie sich unweigerlich direkt gegenüberstehen.
Andrej hielt an und machte eine Bewegung mit dem Schwert. »Zurück!«, befahl er. »Weiter!«
Die Männer gehorchten, wenn auch nur zögernd, sodass Andrej einige rasche, nicht ernst gemeinte Hiebe mit dem Schwert führte, die
nichts treffen sollten, die Krieger aber hastig ein kleines Stück weiter
zurückweichen ließen. Während er sich, Rücken an Rücken mit Abu
Dun stehend, einmal im Kreis drehte, lauschte Andrej konzentriert
mit allen Sinnen. Er spürte den Zorn und die mühsam unterdrückten
Aggressionen der Krieger und ihre Entschlossenheit, sie auf gar keinen Fall entkommen zu lassen, und er konnte hören, wie immer noch
weitere Männer herbeistürmten. Meruhe hatte gesagt, dass Ali Jhin
über dreihundert Krieger gebot, aber ihm schien es, als seien es dreitausend. Andrej vernahm hastige, trappelnde Schritte auf dem Wehrgang über dem Tor, das unverkennbare Geräusch, mit dem Pfeile aus
Köchern gezogen und Sehnen gespannt wurden. Die Nubierin hatte
Recht gehabt. Das war Wahnsinn. Sie würden es niemals schaffen!
»Meruhe!«, rief er.
Andrej sah nicht hin, aber er hörte, wie die schwarzhäutige Kriegerin über ihnen auf die Treppe hinaustrat. Ein ebenso erschrockenes
wie unwilliges Murren und Raunen lief durch die Menge, die sie
umgab. Das eine oder andere Schwert wurde gezogen; irgendwo
knackte eine Bogensehne, als der Schütze anlegte und sein Ziel ins
Visier nahm.
»Niemand rührt sich!«, keuchte

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