Die Verfluchten
auch, nachdem
alle bis auf Meruhe, Abu Dun und Andrej selbst aufgesessen waren.
»Ihr könnt gehen.«
»Wieso wir?«, fragte Meruhe lächelnd. »Ich habe dich so sehr ins
Herz geschlossen, dass ich dich mitnehmen werde.«
Bevor Ali Jhin widersprechen und Meruhe damit einen Vorwand
liefern konnte, ihr Messer in eine noch unversehrte Stelle seines
Körpers zu bohren, sagte Andrej rasch: »Sie hat Recht, Ali Jhin. Du
wirst uns begleiten. Wenigstens so lange, bis wir in Sicherheit sind.«
»Und dann tötet ihr mich?«, vermutete der Sklavenhändler.
Meruhe sah aus, als hielte sie das für eine äußerst verlockende Idee,
doch Andrej schüttelte den Kopf. »Nein. Du hast mein Wort darauf,
dass wir dich gehen lassen. Vorausgesetzt, deine Männer versuchen
nicht, uns zu folgen.«
»Ich kann es ihnen befehlen«, antwortete der Sklavenhändler. »Aber ob sie mir gehorchen…« Er hob die Schultern.
»Dein Wort reicht mir«, sagte Andrej. »Habe ich es?«
Ali Jhin starrte ihn noch einen Herzschlag lang ebenso hasserfüllt
wie durchdringend an, aber dann nickte er. »Also gut«, sagte Andrej.
»Los! Aufsitzen!«
Rasch, aber noch immer ohne die Männer in ihrer Umgebung auch
nur für einen Sekundenbruchteil aus den Augen zu lassen, näherten
sie sich den letzten noch reiterlosen Pferden. Meruhe begann sich
wieder auf diese sonderbare Art im Kreis zu drehen, um jedem Bogenschützen, der vielleicht doch auf die Idee verfallen sollte, sein
Glück noch einmal zu versuchen, die Gelegenheit dazu zu nehmen,
während Abu Dun sein Schwert wegwarf und losrannte. Meruhe sah
ihm verwirrt nach, doch Andrej machte nur eine rasche, beruhigende
Geste. »Er weiß, was er tut.«
Die Nubierin schenkte ihm einen Blick, als hätte er ihr gerade eine
durch und durch unglaubliche Lüge aufgetischt, hob aber dann nur
die Schultern und ging zusammen mit Ali Jhin, sich noch immer
gleichmäßig im Kreis drehend, zu einem der Pferde hin. »Steig auf!«,
befahl sie. »Du reitest mit mir.«
Ali Jhin wagte es nicht, zu protestieren, und Andrej spannte sich,
als Meruhe den Dolch von seiner Kehle nahm und der Sklavenhändler mit Bewegungen, von denen Andrej nicht sagen konnte, ob sie
absichtlich langsam und umständlich waren, auf den Rücken des
Pferdes stieg. Jetzt, dachte er, war der vielleicht gefährlichste Moment. Ein ebenso entschlossener wie geschickter Bogenschütze
konnte die Sache nun zu Ende bringen.
Doch Meruhe schaffte es nicht nur, die ganze Zeit über hinter ihrem
Gefangenen zu bleiben, auch der Dolch entfernte sich niemals weiter
als eine Handbreit von seiner Kehle. Mit einer Bewegung, die an das
lautlose Huschen eines Gespenstes erinnerte, saß die Nubierin plötzlich hinter ihm im Sattel, und die Messerklinge kehrte wieder an ihren Platz ein kleines Stück unterhalb Ali Jhins Kinn zurück.
»Worauf wartest du?«, wandte sich Meruhe ungeduldig an Andrej.
»Nur einen Moment noch«, sagte er. Er blickte konzentriert in die
Richtung, in der Abu Dun verschwunden war, aber die Nacht schien
noch dunkler geworden zu sein. Selbst die Schatten, in denen sie
zuvor Schutz gesucht hatten und die nur wenige Dutzend Schritte
entfernt waren, schienen jetzt ausgelöscht zu sein. Dann aber tauchte
der Nubier mit weit ausholenden Schritten wieder aus der Dunkelheit
auf, seine eigenen und Andrejs Kleider auf den Armen tragend und
mit einem triumphierenden Ausdruck im Gesicht.
Andrej fing den Mantel mit den darin eingewickelten Kleidern und
seinem Schwert auf, fuhr mit einer einzigen Bewegung herum und
sprang auf das Pferd, das neben dem Meruhes stand, und sie sprengten los, noch bevor auch Abu Dun aufgesessen war.
Die Luft über der Wüste flirrte vor Hitze. Auf halbem Wege zwischen ihnen und dem verschwimmenden Horizont lockte die wie aus
gehämmertem Silber schimmernde Oberfläche eines Sees. Darüber
bewegten sich Palmen in einem kühlen Wind, und wenn er die Augen halb schloss und sich leicht zurückbeugte, dann konnte er denselben Wind auf dem Gesicht spüren, seine wohltuende Berührung
und das einlullende Geräusch, mit dem er mit Palmwedeln und wunderbar kühlem Sand spielte. Er roch den Duft von über einem Lagerfeuer gebratenem Fleisch und den ungleich verlockenderen Geruch
kristallklaren, eisigen Wassers. Und mehr noch, er spürte die lindernden Schatten, die wie eine streichelnde Hand über seine Haut
fuhren, hörte das einschmeichelnde Säuseln, das ihm einzuflüstern
versuchte, dass alles gut war, alle
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