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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nichts geändert hat,
abgesehen davon, dass man erschöpft von der Flucht ist und manchmal zu müde, um noch zu kämpfen.«
Andrej sah sie erschrocken an. Er war nicht ganz sicher, dass er
wirklich verstand, was diese Worte bedeuteten, aber das Gefühl der
Irritation, das er vom allerersten Moment an in Meruhes Nähe verspürt hatte, wurde noch stärker. Es kam selten vor - doch die Nubierin gehörte eindeutig zu den Menschen, die undurchschaubar für ihn
waren und es immer mehr zu werden schienen, je angestrengter er
versuchte, hinter ihr Geheimnis zu gelangen.
»Du willst nicht darüber sprechen«, sagte Meruhe und nickte. »Das
verstehe ich. Und ich respektiere es.«
Das entsprach nicht einmal der Wahrheit. Natürlich gab es viel,
worüber er nicht sprechen wollte und auch nicht konnte; aber da war
zugleich auch sehr viel, was er Meruhe sogar gerne anvertraut hätte.
Trotz aller Undurchschaubarkeit war sie ein Mensch, bei dem man
das Gefühl hatte, sich ihm anvertrauen zu können, weil man wusste,
dass seine Geheimnisse gut bei ihm aufgehoben waren.
Vielleicht, dachte er, liegt es schlichtweg an ihrem Alter.
Sie entsprach weder Andrejs Schönheitsideal noch hatte sie sein vermeintliches Alter. Obwohl er längst aufgehört hatte, die Jahre zu
zählen, war er dem Ende seines zweiten Jahrhunderts doch deutlich
näher als der Mitte, aber er sah aus, als hätte er die dreißig noch
nicht erreicht. Und unter diesem Aspekt hätte er sie jedem, der nicht
allzu genau hinsah, als seine Mutter vorstellen können; sah man von
der Kleinigkeit ab, dass Meruhes Haut die gleiche, tiefschwarze Färbung hatte wie sein Haar und sein Bart.
Dennoch faszinierte sie ihn, auch als Frau.
Andrej hatte zahllose Frauen gehabt, die jünger als sie gewesen waren, zweifellos schöner und nicht annähernd so widerspenstig, aber
es waren wenige wie Meruhe darunter gewesen. Sie strahlte etwas
aus, was er nicht in Worte fassen konnte, was es ihm aber zugleich
auch schier unmöglich machte, sich ihrem spröden Charme zu entziehen. Etwas, das ihn als Mann faszinierte, auch und in nicht geringem Maße auf rein körperlicher Ebene, aber da war noch mehr. Trotz
ihrer unbestreitbaren Schönheit und der knisternden Vitalität und
Kraft, die sie mit einer fast körperlich spürbaren Intensität verströmte, hatte sie zugleich etwas… Mütterliches. Im besten Sinne des
Wortes. Obwohl sie Andrej ohne zu zögern die Kehle durchschneiden würde, sollte es sich als nötig erweisen, fühlte er sich in ihrer
Gegenwart doch auf eine selten erlebte Art geborgen und sicher. Es
lag an nichts von alledem, was sie bisher gesagt oder getan hatte. Es
war einfach das, was sie war.
Meruhes Blick wurde schon wieder ein wenig spöttisch, und Andrej
begriff, dass sie abermals lange Zeit schweigend nebeneinander hergegangen waren und er in dieser Zeit nichts anderes getan hatte, als
sie anzustarren. Das war ihm peinlich. Und dass Meruhe ihm auch
das ganz deutlich ansah, machte die Situation nicht besser.
Vielleicht nur, um den unangenehmen Moment zu überspielen,
fragte er: »Du bringst deine Leute zurück zu eurem Dorf?«
»Ja«, antwortete sie. »In die Höhlen, wo sie vor Ali Jhins Männern
sicher sind.«
Diese Antwort überraschte Andrej ein wenig, zumal Meruhe laut
genug gesprochen hatte, um zumindest nicht ausschließen zu können,
dass auch der Sklavenhändler ihre Worte verstanden hatte. Abu Dun
und Ali Jhin gingen ein gutes Stück voraus, aber die unbewegt und
vollkommen still daliegende Wüste trug alle Geräusche unnatürlich
weit. Vorausgesetzt, Meruhe hatte tatsächlich vor, sich an das Wort
zu halten, dass Andrej dem Sklavenhändler gegeben hatte, ihn am
Leben zu lassen, war sie mehr als leichtsinnig, so offen über ihr Ziel
zu sprechen. Andrej wusste nicht viel über Ali Jhin, aber er konnte
sicher sein, dass er für den Rest seines Lebens nichts anderes mehr
tun würde, als sie zu jagen und sich für das, was ihm angetan worden
war, zu rächen.
»Oh, keine Sorge«, sagte Meruhe, und nun wurde die Sache Andrej
tatsächlich unheimlich, »ich habe nicht vor, ihn zu töten oder auf
anderem Wege dafür zu sorgen, dass er unser Ziel nicht verraten
kann. Ali Jhin weiß, wo er uns findet. Das hat er immer gewusst.«
»Du liest nicht zufällig meine Gedanken?«, fragte Andrej, zwar lächelnd, trotzdem aber auf eine Art, die dieser Frage vielleicht eine
Spur mehr Ernsthaftigkeit verlieh, als sie eigentlich haben sollte.
Meruhe

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