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Die Verfluchten

Die Verfluchten

Titel: Die Verfluchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Meruhe. »Wir gehen zu dieser Wasserstelle. Mit ein bisschen Glück
erreichen wir sie lange vor Ali Jhins Kriegern.«
»Dann komm du wenigstens mit uns«, hörte sich Andrej zu seiner
eigenen Überraschung sagen. »Was für uns gilt, gilt auch für dich.
Sie werden sich nicht die Mühe machen, drei Reiter zu verfolgen,
wenn sie fünfzig haben können.«
»Ich soll die Männer und Frauen und Kinder im Stich lassen, die
mir ihr Leben anvertraut haben?«, fragte Meruhe.
»Wo ist der Unterschied?«, wollte Andrej wissen. Es war sonderbar: Es kam ihm beinahe so vor, als lausche er den Worten eines anderen. Sie kamen ihm nahezu ohne sein Zutun über die Lippen. »Sie
werden deinen Leuten nichts antun, wenn sie sich kampflos ergeben.
Das hast du selbst gesagt. Wenn du mit uns kommst, dann bleibst du
am Leben, um sie zu befreien.«
Tatsächlich schien Meruhe einen kurzen Moment ernsthaft über
diesen Vorschlag nachzudenken, doch dann seufzte sie nur tief.
»Nein. Ich bleibe da, wo ich hingehöre. Bei meinem Volk.«
»Wie nobel«, sagte Abu Dun höhnisch. »Ich hoffe doch, sie schreiben es wenigstens auf deinen Grabstein.«
»Ich werde dafür sorgen, dass man es auf deinen schreibt«, sagte
Ali Jhin. »Oder auch alles andere, was du dir wünschst. Du musst es
nur sagen. Ich bin ein großzügiger Mann.«
»Warum schneiden wir diesem Kerl nicht wenigstens noch die
Kehle durch?«, sinnierte Abu Dun. »Dann wäre das alles wenigstens
für irgendetwas gut gewesen.«
»Weil meine Männer dann keinen von euch am Leben lassen würden«, antwortete der Sklavenhändler. Abu Dun machte einen Schritt
auf ihn zu und hob drohend die Hand, doch Andrej trat rasch zwischen ihn und Ali Jhin.
»Nicht«, mahnte er. »Er will dich nur reizen, merkst du das denn
nicht?«
»Doch«, antwortete Abu Dun. »Und es ist ihm sogar gelungen.«
»Das reicht«, mischte sich nun auch Meruhe ein. Sie sah Andrej
kurz und fast um Verständnis heischend an, doch der Blick ihres sehenden Auges war ebenso hart und kalt wie der des künstlichen, als
sie sich direkt an Abu Dun wandte.
»Ihr solltet jetzt wirklich gehen«, sagte sie. »Noch bleibt euch Zeit
genug. Wenn ihr genau nach Westen reitet, dann trefft ihr spätestens
bei Sonnenuntergang auf eine alte Karawanenstraße. Folgt ihr in östlicher Richtung, und ihr gelangt zu einer Karawanserei. Wenn ihr
dort meinen Namen nennt, wird man euch alles geben, was ihr
braucht.«
Abu Dun fuhr auf. »Du glaubst doch nicht wirklich, dass…«
»Lass es gut sein, Abu Dun«, unterbrach ihn Andrej. »Sie hat
Recht. Wir sollten gehen.«
Abu Dun starrte ihn fassungslos an. »Du willst tatsächlich… einfach weglaufen?«, keuchte er.
»Niemandem ist geholfen, wenn wir unser Leben sinnlos wegwerfen«, sagte Andrej. »Mir gefällt das so wenig wie dir, aber wir können es nicht ganz allein mit Ali Jhins Kriegern aufnehmen.« Er
wandte sich zu dem Sklavenhändler um. »Ich erwarte, dass du dein
Wort hältst und dass diesen Menschen nichts geschieht«, sagte er
drohend. »Wenn nicht, dann kommen wir zurück. Und dann ist das
da…« Er deutete auf den verletzten Arm des Sklavenhändlers, den
Meruhe notdürftig versorgt und so fest an seinen Körper gebunden
hatte, dass er ihn nicht mehr bewegen konnte, »… gar nichts. Ich
verspreche dir keinen schmerzlosen Tod, solltest du dein Versprechen nicht einhalten. Aber ich versichere dir, dass du ihn dir wünschen wirst.«
Der Sklavenhändler machte ein verächtliches Gesicht. »Ich bin beeindruckt«, sagte er abfällig.
»Das solltest du sein«, sagte Andrej ernst. »Ich habe noch nicht vielen Männern den Tod geschworen. Aber die wenigen Male, dass ich
es getan habe, habe ich Wort gehalten. Komm!«
Die letzte Bemerkung galt Abu Dun, der ihn noch einen Augenblick lang verständnislos anstarrte, sich dann aber beeilte, ihm zu
folgen.
Nebeneinander gingen sie an der lang auseinander gezogenen Reihe
müder Männer und Frauen entlang. Die Zahl derer, die nicht mehr
die Kraft hatten zu gehen, sondern auf den Rücken der kaum minder
erschöpften Pferde saßen, hatte noch zugenommen. Meruhe hatte
ihnen gesagt, sie sollten sich die besten Pferde nehmen, und Andrej
sah keinen Grund, dieses Angebot auszuschlagen. In ein paar Stunden würden alle diese Menschen ohnehin wieder in Ketten liegen
und zu Fuß gehen; zumindest diejenigen von ihnen, die dann noch
lebten.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein, Andrej«, murmelte Abu Dun,
als Andrej schließlich stehen

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